Mathematik ist für die Ewigkeit. In anderen Disziplinen wirft die nächste Forschergeneration so manches von dem, was die vorhergehende an Ergebnissen zusammengetragen hat, teilweise wieder über den Haufen. Nicht so in der Mathematik. Was einmal richtig gemacht wurde, hat für immer Bestand. Am Satz des Pythagoras gibt es auch nach 2.000 Jahren keinen Nachbesserungsbedarf. Er ist ein für alle Mal richtig bewiesen und hat kein Verfallsdatum.
Entsprechend absolut sind die Ansprüche an Beweise in der Mathematik. Vor Gericht gilt eine Tatsache schon als bewiesen, wenn sie „Jenseits jedes vernünftigen Zweifels“ als wahr gelten kann. In der Mathematik reicht das noch nicht aus. Das folgende Beispiel zeigt, warum Mathematiker so streng sein müssen, und nicht etwa einfach nur eine (wenn auch eventuell sehr große) Zahl von Einzelfällen prüfen dürfen, um auf deren Basis zu verallgemeinern.
Betrachten wir einen Kreis mit n beliebigen Punkten auf dem Umfang. Jeder Punkt wird mit allen anderen Punkten durch Strecken verbunden. Keine drei Strecken sollen durch einen Punkt gehen. Die Kreisfläche wird auf diese Weise in Teilgebiete zerlegt. Nennen wir Tn die Anzahl dieser Teilgebiete. Wie groß ist Tn?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns die ersten fünf Fälle als Spezialfälle an. Also n = 1 bis n = 5. In allen Fällen ist Tn eine Zweierpotenz, nämlich 2 hoch (n – 1). Auf deren Grundlage könnte man zu einer Hypothese über die generelle Gestalt der Zahlen Tn als Zweierpotenzen kommen. Das scheint bei erstem Nachdenken auch plausibel. Die Vermutung ist aber falsch. Die Zahlen Tn sind allgemein betrachtet keine Zweierpotenzen, sondern eine Funktion in der Terme bis n hoch 4 auftreten. Für n = 6 ergeben sich zum Beispiel nicht 32 Teilgebiete sondern nur 31.
Abbildungen: Vlad Sasu
Zusatzfrage: Wie viele Teilgebiete gibt es beim 13-Eck?
Zusatzaufgabe: Wie kann man die Formel für die Anzahl der Teilgebiete beweisen?
Noch krasser ist es im folgenden Fall:
Aussage: Die Gleichung 313(x hoch 3 + y hoch 3) = z hoch 3 hat keine Lösung, ganz gleich welche natürlichen Zahlen 1, 2, 3, … ich jeweils für x, y, z einsetze. Diese Aussage ist falsch. Doch ich empfehle Ihnen nicht, ein Gegenbeispiel zu finden. Schon beim kleinsten Gegenbeispiel sind fantastischerweise x, y, z jeweils größer als die Zahl 10 hoch 1000. Dieses Gegenbeispiel hätte niemals durch eine Computersuche entdeckt werden können.