Haben Sie auch Sofi geschaut am Freitag? Das Spektakel am Himmel, als sich der Mond nach längerer Zeit mal wieder für uns sichtbar vor die Sonne geschoben hat? Eine Sonnenfinsternis hat ja mit so einfachen Dingen wie Sonne, Licht und Schatten zu tun. Natürlich lässt sich diesen Dingen auch Mathematisches abgewinnen. Haben Sie schon einmal länger über den Schatten an sich nachgedacht? Scheinbar gibt es darin nichts Tiefschürfendes zu entdecken, geschweige denn zu verstehen. „Wo Licht ist, ist auch Schatten“, sagt der Volksmund. Und damit ist doch eigentlich alles gesagt. Leider nicht. Da gibt es ein Problem. Und Sie, liebe Leser, müssen am Ende helfen.
Zunächst lassen sich nach Art präziser mathematischer Sätze einige Grundtatsachen über Schatten festhalten:
- Satz 1: Ein Objekt X kann nur dann einen Schatten werfen, wenn Licht direkt auf X fällt.
- Satz 2: Ein Objekt X kann seinen Schatten nicht durch ein lichtundurchlässiges Objekt Y hindurch werfen.
- Satz 3: Jeder Schatten ist der Schatten von irgendetwas.
Das sind offensichtliche Tatsachen über Schatten, an denen nicht zu rütteln ist. Doch betrachten wir nun einmal die folgende Situation: Nehmen wir an, ich stehe an einer Bushaltestelle. Die Sonne scheint und mein Schatten fällt auf den Gehweg. Dann kommt ein (lichtundurchlässiger) Schmetterling und fliegt durch den von mir von der Sonne abgeschirmten Bereich. Ganz so, wie es diese Zeichnung zeigt:
Damit haben wir schon die ersten Fragen. Wie sieht es in dem kleinen Teil meines Schattens direkt hinter dem Schmetterling aus? Verstärkt sich dort mein Schatten, wie im Bild gezeichnet? Oder ist dort überhaupt kein Schatten vorhanden? Und wenn dort ein Schatten ist, wer wirft diesen Schatten?
Sie können dies an einem sonnigen Tag mit Ihrem Lieblingsschmetterling leicht überprüfen. Hinter dem Schmetterling gibt es einen Schatten und er ist weder stärker noch schwächer als der Schatten, den ich selbst werfe. Das ist eine Realitätsbeobachtung. Doch unsere mathematische Schatten-Theorie der obigen Sätze 1–3 sagt: Das geht nicht. Denn nach Satz 3 muss irgendetwas den Schatten hinter dem Schmetterling erzeugt haben. Nach Satz 1 kann ich es nicht gewesen sein, da mein Schatten nicht durch den Schmetterling fallen kann. Nach Satz 2 kann es aber auch der Schmetterling nicht gewesen sein, denn er wird nicht direkt von Licht angestrahlt, weil ich es abschirme. Andere Objekte kommen aber nicht infrage.
Wir haben also einen eklatanten Widerspruch zwischen beobachtbarer Realität und offensichtlich wahrer Theorie. Wie kann man diesen Widerspruch auflösen?
Das ist eine schwierige Frage, auf die ich keine befriedigende Antwort habe. Der Philosoph Roy Sorensen hat es mit einer Art von Blockade-Theorie des Schattens versucht, die mit einer Theorie der Kausalität verbunden ist. Danach ist ein Schatten die Abwesenheit von Licht. Er wird durch ein lichtabschirmendes Objekt herbeigeführt. So weit, so gut. Nun aber: Der Schatten erfüllt nach Sorensen den gesamten Raum direkt hinter dem abschirmenden Objekt. Nur der Mensch schirmt in der Zeichnung das Sonnenlicht ab. Der Schmetterling ist kausal nicht involviert und somit gehört der Schatten, auch der hinter dem Schmetterling, gänzlich zum Menschen.
Ist diese Erklärung überzeugend? Ich weiß nicht so recht. Nun sind Sie gefragt.