Am 29. August vor 99 Jahren wurde Ingrid Bergman geboren. Als sie 67 Jahre später starb, galt die dreifache Oscargewinnerin als eine der bedeutendsten Schauspielerinnen der Filmgeschichte. Doch das soll heute nicht unser Thema sein, sondern vielmehr die Frage: Was haben Platon, Shakespeare und Ingrid Bergman gemeinsam? Die Antwort: Sie starben alle an ihrem Geburtstag. Kommt so etwas öfter vor, als es der Zufall erwarten lässt, oder vielleicht sogar eher seltener? Gibt es eine Verbindung zwischen Geburtstag und Todestag?
In der wissenschaftlichen Literatur gibt es die Hypothese, dass manche Menschen ihren Todeszeitpunkt geringfügig hinauszögern können, um einen Geburtstag oder ein anderes Ereignis von Bedeutung noch zu erleben.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern von der Universität Zürich hat vor zwei Jahren eine Studie veröffentlicht, die diese und andere Hypothesen testet (Ajdacic-Gross, 2012). Die Forscher hatten für die Schweiz mehr als zwei Millionen Geburts- und Todesdaten zusammengetragen. Für diese Art von Daten ist die Mess-Skala zirkulär, wie auch für Winkel und Tageszeiten: Nach 359 Grad kommt 0 Grad, nach 23:59 Uhr kommt 00.00 Uhr, nach dem 31.12. kommt der 1.1.
Plus 18 Prozent Sterbewahrscheinlichkeit ab 60 Jahren
Spezielle mathematisch-statistische Verfahren müssen angewendet werden, um zirkuläre Daten zu analysieren. Wenn zum Beispiel Angaben vorliegen, die sich auf Himmelsrichtungen beziehen und die Werte schwanken zwischen 0 Grad und 359 Grad, dann sind 0 Grad und 359 Grad weit weniger unterschiedlich, als es die reinen Zahlenwerte suggerieren. Dasselbe gilt für Daten zu Todestagen relativ zu Geburtstagen. Der Unterschied zwischen einem Tag nach einem Geburtstag und 364 Tagen nach einem Geburtstag ist gering.
Die Statistik zirkulärer Daten ist insofern anspruchsvoller, als anstatt der sonst häufig auftretenden Gauß’schen Glockenkurve für die Untersuchung von Streuungen eine um einen Kreis gewickelte Glockenkurve, die von-Mises-Verteilung, verwendet werden muss.
Die Zürcher Forscher haben die besagten Daten in ihrer Studie so aufbereitet, dass die Differenz zwischen Geburts- und Todestag für jede Person auf einem linearisierten Jahreskreis abgebildet wurde, von minus 182 Tagen bis plus 182 Tagen. Dann wurden die Daten aggregiert und statistische Maßzahlen errechnet, etwa für Mittelwert, Streuung und Signifikanz.
Die Studie kommt zu interessanten Ergebnissen. Besonders eines ist bemerkenswert: Am eigenen Geburtstag besteht ein signifikant erhöhtes Sterberisiko von plus 14 Prozent gegenüber dem Durchschnitt für die anderen Tage. Für Über-60-Jährige sind es sogar plus 18 Prozent.
Das Risiko wurde zudem nach verschiedenen Todesursachen und Geschlecht aufgeschlüsselt. Unter den Frauen waren die Todesursachen Gehirnschlag (um 22 Prozent erhöht) und Herz-Kreislauf-Versagen (plus 19 Prozent) für die Risikozunahme am Geburtstag verantwortlich. Unter den Männern waren es hauptsächlich Unfälle (plus 29 Prozent) und Selbstmorde (plus 35 Prozent).
Wie kann man diese Daten deuten?
Eine Hypothese ist diese: Unter Frauen, insbesondere älteren Frauen, weist die Art der am Geburtstag stärker vertretenen Sterbeursachen auf eine Zunahme von Stress hin, unter Männern eher auf psychologische Faktoren, die den eigenen Geburtstag als unerfreulich erscheinen lassen (mehr Selbstmorde) sowie auf verstärkten Konsum von Alkohol (mehr Unfälle).
Unter älteren Frauen scheint also der Geburtstag im Schnitt mit Tätigkeiten verbunden, die ein gewisses Maß an Anstrengung verursachen, wie etwa die Vorbereitung eines Geburtstagsessen für Familie und Gäste. Unter älteren Männern könnte in unserer leistungsorientierten Gesellschaft eine gewisse Frustration daraus resultieren, dass sie sich mehrheitlich als hinter eigenen Leistungs-Erwartungen zurückgeblieben wähnen und dies an Geburtstagen, wenn man dazu neigt zu bilanzieren, besonders spürbar wird.