Im Leben gibt es immer wieder Situationen, in denen etwas fair aufgeteilt werden muss: Unter Koalitionären sind es Ministerposten, während einer Scheidung ist es der Besitz.
Die einfachste Regel zwischen zwei Personen ist natürlich: Der eine teilt, der andere darf aussuchen. Wenn es allerdings um nicht teilbare Objekte geht oder unter mehr als zwei Personen geteilt werden muss, versagt dieser einfache Ansatz.
Gerechte Teilung heißt nicht etwa, dass jeder von allem dieselbe Menge bekommt. Vielmehr müssen subjektive Bewertungen einbezogen werden. Vielleicht bedeutet jemandem das Haus sehr wenig, das Porzellan der Großmutter aber sehr viel. Für derart schwierige Aufteilungsprobleme haben der Spiel-Theoretiker S. Brams und der Mathematiker A.D. Taylor eine Fairness-Formel entwickelt.
Angenommen, Herr Meier und seine Frau wollen sich scheiden lassen. Zunächst wird die gesamte Streitmasse aufgelistet. Dann signalisieren beide durch Punktvergabe, wie viel ihnen die einzelnen Objekte wert sind. Beide vergeben jeweils 100 Punkte:
Herr M. | Frau M. | |
Haus | 50 | 30 |
Ferienwohnung | 10 | 10 |
Schmuck | 20 | 40 |
Aktien | 15 | 10 |
Sonstiges | 5 | 10 |
Zuerst bekommt jeder die Gegenstände, für die er mehr Punkte abgegeben hat als der andere: Herr Meier also Haus und Aktien, Frau Meier Schmuck und Sonstiges. Herr Meier hat dann 50 + 15 = 65 seiner Punkte und seine Frau 40 + 10 = 50 ihrer Punkte bekommen.
Da die Noch-Ehefrau zurückliegt, erhält sie jetzt noch alle Objekte, die beide Seiten gleich bepunktet haben. Das ist hier nur die Ferienwohnung. Das bringt Frau Meiers Saldo auf 40 + 10 + 10 = 60 Punkte.
Nun müssen Bruchteile übertragen werden, um subjektive Punktgleichheit zu erreichen. Herr Meier muss von seinen Objekten etwas abtreten. Dabei ist es wichtig, in welcher Reihenfolge das geschieht. Die Reihenfolge der Objekte wird durch das Verhältnis ihrer subjektiven Werte bestimmt. Dazu werden die folgenden Quotienten gebildet:
Herr M.s Punkte für ein Objekt/Frau M.s Punkte für ein Objekt
Für das Haus ist dieser Quotient zum Beispiel 50/30 = 1,67, für die Aktien 15/10 = 1,5. Nun nimmt man das Objekt mit dem kleinsten Bruch, in diesem Fall die Aktien. Ihre Bewertung unterscheidet sich nicht so stark unter den Eheleuten. Das Haus behält also Herr Meier, die Aktien müssen aufgeteilt werden. Daher wird nun ein gewisser Anteil p an Frau Meier übertragen. Dann verbleibt Herrn Meier noch der Rest, also 1 – p.
Frau Meiers subjektive Punktzahl steigt so auf 60 + 10p, die von Herrn Meier wird auf seiner Skala zu 50 + 15(1 – p). Beide Punktzahlen sollen gleich sein: 60 + 10p = 50 + 15(1 – p). Die Gleichung aufgelöst, ergibt nun für p den Wert 1/5, also 20 Prozent.
Um Punktgleichheit zu erreichen, erhält Frau Meier nun 20 Prozent des Aktienpakets, ihr Mann 80 Prozent. Auf ihrer Skala erhält Frau Meier den Gesamtwert von 40 + 10 + 10 + 10 x 1/5 = 62 Punkten, ebenso Herr Meier auf seiner Skala: 50 + 15 x 4/5 = 62 Punkte.
Typischerweise bekommt jeder mit diesem Verfahren „gefühlte“ rund zwei Drittel des Streitwerts.
Es ist ein mathematischer Beitrag zum Frieden in der Welt durch Vermeidung von Rosenkriegen.
Können Sie sich noch andere interessante Anwendungen vorstellen?