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Warum Ihre Freunde beliebter sind als Sie

 

Auf Facebook tummeln sich dieser Tage rund 27 Millionen Deutsche. Über wenige Ecken kennt in dem sozialen Netzwerk jeder jeden. Mit dem Kauf des Nachrichtendienstes WhatsApp sollen die Beziehungen der Nutzer noch enger und zahlreiche neue Freundschaften geschlossen werden. Da stellt sich die Frage: Wie ist es um Ihren Freundeskreis bestellt?Das Netzwerk Ihrer Freunde ist sehr komplex. Es besteht aus Ihnen, Ihren Freunden, den Freunden Ihrer Freunde, den Freunden der Freunde Ihrer Freunde… Es ließe sich beliebig fortführen. Betrachten wir also nun konkret die Zahl Ihrer Freunde. Und ferner die Zahl der Freunde, die Ihre Freunde im Schnitt haben. Zwar kenne ich Sie nicht und weiß auch nicht, wie viele Freunde Sie haben, aber ich werde trotzdem die Prognose wagen, dass Ihre Freunde im Durchschnitt mehr Freunde haben als Sie. Richtig?

Falls das so ist, sollten Sie jetzt nicht denken, dass Sie weniger anziehend, interessant oder sympathisch sind als Ihre Freunde. Es ist schon aus mathematischen Gründen so. Bei fast allen.

Auf den ersten Blick scheint es widersinnig: Warum sollte statistisch ein Unterschied bestehen zwischen der Zahl der Freunde eines Menschen und der Zahl der Freunde eines Freundes dieses Menschen? Dennoch ist es so. Es wird als Freundschaftsparadoxon bezeichnet.

Im Schnitt hat jeder Freund 635 Freunde

Mit Facebook lässt sich das wunderbar prüfen. Ein Facebook-User hat im Schnitt 190 Freunde. Das hat eine Studie aus dem Jahr 2011 ergeben. Doch von den Freunden eines Facebook-Users hat jeder im Schnitt 635 Freunde. Das ist ein beachtlicher Unterschied, der auf eine starke Verzerrung hindeutet. Und in der Tat, für 93 Prozent der Menschen auf Facebook ist ihre Freundesliste kürzer als die ihrer Freunde oder Freundinnen im Durchschnitt ist.

Ist das schlimm? Vielleicht. Laut einer anderen Studie korreliert eine zunehmende Benutzung von Facebook mit wachsender persönlicher Unzufriedenheit des Nutzers. Für viele erzeuge Facebook das Gefühl, dass ihre Freunde ein interessanteres, cooleres, geselligeres Leben haben als sie selbst. Und das Freundschaftsparadoxon trägt zu diesem Gefühl bei.

Woher kommt nun die starke Verzerrung? Die Zahl der Freunde Ihrer Freunde ist deshalb zu Ihren Ungunsten verzerrt, weil Menschen mit vielen Freunden allein schon wegen ihrer großen Freundeszahl eine größere Chance haben, auch mit Ihnen befreundet zu sein. Das heißt, Menschen mit vielen Freunden sind unter Ihren Freunden überrepräsentiert, während Menschen mit wenigen Freunden unter Ihren Freunden im Vergleich zum Gesamtnetzwerk unterrepräsentiert sind.

Niemandes und jedermanns Freund

Betrachten wir die Extremfälle: Jemand, der null Freunde hat, hat auch eine Wahrscheinlichkeit null, Ihr Freund zu sein. Er taucht im Gesamtnetzwerk zwar auf, trägt den Wert null zum Durchschnitt der Freunde aller User bei, tritt aber in niemandes Freundesliste auf. Anders dagegen ist es mit jemandem, der alle zu Freunden hat. Er ist mit Wahrscheinlichkeit 100 Prozent nicht nur Ihr Freund, sondern jedermanns Freund und taucht mit seiner großen Zahl von Freunden auf der Freundesliste jedes Users auf.

Die meisten Freunde liegen natürlich zwischen diesen beiden Extremen. Sie tendieren eher in Richtung mehr als weniger. Allgemein gesprochen: Ein zufällig ausgewählter Freund hat eine größere Wahrscheinlichkeit, Freund eines Menschen mit vielen Freunden zu sein als Freund eines Menschen mit wenig Freunden.