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Ein einziger Aids-Test reicht nie zur Gewissheit

 

Der Welt-Aids-Tag geht zu Ende – ein Tag, an dem wieder viel zu lesen war, über das HI-Virus und seine Folgen. Das grobe Fazit: Wer einmal infiziert ist, kann trotz neuer Forschung bis heute nicht geheilt werden. Wer Glück hat, lebt in einem weit entwickelten Land, in dem es Medikamente gibt, die die Symptome über viele Jahre unterdrücken.

Die meisten der weltweit etwa 35 Millionen Infizierten (Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO) haben keinen Zugang zu einer solchen Therapie. Und mehr als die Hälfte von ihnen weiß noch nicht einmal von dem Virus, das in ihrer Blutbahn zirkuliert. Selbst wenn sie es wüssten: Eine Chance auf Hilfe hätten sie kaum.

In Deutschland kann hingegen jeder, der will, einen HIV-Test machen – anonym und kostenlos. Ohne Anlass, ohne Begründung. Hierzulande lebten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts Ende 2013 rund 80.000 Menschen mit HIV. Mehr als 3.000 stecken sich trotz Aufklärung, Aids-Tests und Safer Sex jährlich an.

Wer zum HIV-Test geht, sollte allerdings einiges über die Mathematik dahinter wissen.

Wie gut und genau sind die Testverfahren?

Für Aids gibt es zwei Arten von Tests, nämlich Suchtests und Bestätigungstests. Wer in Deutschland einen normalen HIV-Test macht (sinnvoll erst zwölf Wochen nach einer Risikosituation), dem wird Blut abgenommen, das ins Labor geschickt wird. Meist wird dann zuerst ein Test nach dem Elisa-Verfahren (die Abkürzung steht für enzyme-linked immunosorbent assay) gemacht, ein sogenannter Suchtest. Solche Tests haben zum Ziel, aus einer beliebig zusammengesetzten Gruppe möglichst alle Personen zu erkennen, die eine bestimmte Eigenschaft haben – im Fall von Elisa sind das Antikörper gegen HIV.

Wenn jemand infiziert ist, sollte der Test mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein positives Testergebnis liefern. Diese Wahrscheinlichkeit nennt man die Sensitivität des Tests.

Beim Elisa-Test liegt die Sensitivität bei 99,7 Prozent. Dies bedeutet, dass mit dieser Methode nur 3 von 1.000 tatsächlichen HIV-infektionen unentdeckt bleiben. Die Spezifizität des Elisa-Tests, also die Wahrscheinlichkeit, bei Nicht-Infektion ein negatives Testergebnis zu bekommen, beträgt 98,5 Prozent.

Wer einen ersten HIV-Test hat machen lassen, und nun erfährt, dieser sei positiv, will aber vor allem eines wissen: Wie sicher ist die Diagnose? Gibt es noch eine Chance auf einen Irrtum?

Die Antwort: Ja, eine recht hohe Chance sogar – aus mathematischer Sicht. Deshalb wird in Deutschland auch üblicherweise niemandem ein positives Elisa-Ergebnis mitgeteilt, ehe nicht ein zweiter Test zur Bestätigung durchgeführt wurde.

Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine im ersten Schritt positiv getestete Person tatsächlich HIV hat, nennen Mediziner – und wir Mathematiker – den positiv prädiktiven Wert. Der hängt davon ab, wie verbreitet eine Krankheit in der getesteten Gruppe ist. Den Grad der Verbreitung nennt man die Prävalenz der Krankheit.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein erstes positives Testergebnis im zweiten Schritt bestätigt, ist dort höher, wo die Krankheit häufiger ist.

Eine Beispiel-Rechnung für Deutschland

In Deutschland beträgt die Prävalenz für HIV in der Bevölkerung etwa 0,1 Prozent: Im Schnitt ist eine von Tausend Personen mit dem Virus infiziert.

Nehmen wir nun also an, das Blut einer zufällig ausgewählte Person hierzulande wäre nach dem Elisa-Verfahren positiv auf HIV getestet worden. Wie hoch wäre der positive prädiktive Wert?

Ermittelt werden kann der mit der Formel von Bayes. Alternativ lässt sich die Wahrscheinlichkeit aber auch in einem kleinen Gedankenexperiment bestimmen. Stellen wir uns dazu vor, eine repräsentative Gruppe von einer Million Personen werde nach Elisa getestet. 1.000 davon sind tatsächlich mit HIV infiziert und 999.000 nicht. Von den 1.000 Betroffenen werden 997 ein positives Testresultat erhalten. In der Gruppe der Nicht-Infizierten werden im Schnitt von je 1.000 nur 15 ein positives Testresultat bekommen, also 15 x 999 = 14.985 unter den 999.000.

Zusammen genommen haben wir also 997 + 14.985 = 15.982 Personen mit positivem Testergebnis. Aber nur 1.000 tragen den Erreger wirklich in sich. Mit anderen Worten: Nur etwa eine von 16 der positiv getesteten Personen hat im Durchschnitt HIV. Das sind nur etwa 6 Prozent.

Für viele Menschen ist dieses Ergebnis sehr überraschend. Immerhin sind Sensitivität und Spezifizität des Tests sehr hoch. Was allerdings dabei nicht bedacht wird, ist die Tatsache, dass die Prävalenz der Krankheit in Deutschland sehr niedrig ist. Insofern ist es bei positivem Testresultat immer noch wahrscheinlicher, dass sich der Test geirrt hat, als dass eine Infektion vorliegt.

Weil das so ist, wird in Deutschland einem Patienten ein positives HIV-Testergebnis erst dann mitgeteilt, wenn sowohl der Suchtest als auch der Bestätigungstest den Befund bestätigt haben. So ein zweiter Test wird immer gemacht. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.

Dazu wird der sehr aufwändige Western-Blot-Test verwendet, um falsch-positive Resultate auszuschließen. Dieser hat eine Spezifizität von 99,99 Prozent und eine Sensitivität von etwa 80 Prozent.

Wer nach beiden Testverfahren mitgeteilt bekommt, mit HIV infiziert zu sein, der hat dann nur noch eine sehr geringe Chance auf einen Irrtum. Nach derselben Berechnungsmethode und zwei positiven Tests ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 99,8 Prozent.

Für Menschen, die HIV-positiv sind, gibt es in Deutschland viele Anlaufstellen – etwa über die Aids-Hilfe. Dort helfen Psychologen mit dem ersten Schock umzugehen, Betroffene erhalten Informationen über Medikamente, die das Virus unterdrücken, und Wichtiges dazu, wie sie vermeiden, andere anzustecken.