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Spaghetti alla Ducchessa

 

Ich schreibe hier nicht gerne Rezepte, dafür ist der Komplize Karl-Josef zuständig. Oder anders, der ist noch unverbrauchter. Ich selbst muss wöchentlich ungefähr 6 bis 7 Rezepte aus meinem Hirnschmalz destillieren und testen, was man mir bedauerlicherweise ansieht.

Trotzdem jetzt doch ein Rezept. Es ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern Joseph von Westphalen, ein anderer Komplize hat es mir erzählt. Der Graf ist veritabler Schriftsteller, Schöpfer philosophischer Essays, unter Pseudonym Verfasser unzähliger Kochbücher und obendrein im Hochadel zuhause. Er kommt also an Insiderinformationen ran, da könnte sich der ARD-Adelsexperte Seelmann-Eggebrecht die Pfoten schlecken. Deshalb dieses Rezept exklusiv hier an dieser Stelle. Ich weiß nicht mehr, war es die Isabella von Savoyen oder die Giulia d’Este?

Nee, die d’Este muss es gewesen sein, denn es war eine Ducchessa, also eine Herzogin. Wir wissen’s, auch hoher Stand schützt nicht vor Geiz. Die Schlossküche wurde aus Kostengründen vom Gärtner nebenbei bewältigt. Der Gärtner lag aber im Krankenhaus weil er sich beim pressen des Komposts die Hüfte gebrochen hatte. Kein Wunder – er war steinalt und musste arbeiten wie ein Gaul. Die Duccessa, auch steinalt und von hakennasiger Silhouette einem alten Gaul ähnelnd, war mit Spaghetti in der Schlossküche zugange. Die engere Verwandtschaft musste verköstigt werden. Zu einigen gehackten Tomaten, einer klein geschnittenen Zwiebel und etwas Olivenöl hatte die Großzügigkeit der alten Scharteke gereicht. Knoblauch war auch noch im Haus. Die dampfenden Spaghetti wurden in die Arme-Leute-Salsa geworfen und nun suchte die Ducchessa die Knoblauchpresse.

Die verdammte Quetsche war nicht zu finden und die Spaghetti drohten jenseits des legendären Aldente-Rubikons zu verkleistern. Höchste Not. Die Ducchessa stopfte sich die Knoblauchknolle zwischen ihre freiliegenden Zahnhälse und kaute verzweifelt. Eine Minute heftig mahlende Kiefer genügte, dann hellten sich ihre Züge auf. In hohem Bogen spuckte sie den Knoblauch in die Pasta. Der Knoblauch war besser zerkleinert als es die heute so cybermäßig aussehenden WMF-Knoblauchpressen (die es sogar mit Radio gibt) je hätten leisten können.

Alter Parmesan verhalf der herzöglichen Pasta zum sensationellen Pfiff. Die hochnoble Speisegesellschaft war euphorisch. Ganz zu schweigen von der alten Ducchessa, deren Bäckchen leuchteten backfischartig. Wie sagte der Dichter Rühmkorf: „Es gibt Gerichte, die werfen einen um Jahre zurück.“

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Bild: PhotoCase.com