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Schmorgericht aus der Provence

 

Ich bastele gerade an meinem Provence-Buch und da passt das folgende Rezept auch gut zu dem wunderbaren Hinterwälder-Fleisch.

Boeuf en daube
Für 8 Portionen

2 kg Rinderschulter in kinderfaustgroße Würfel schneiden
4 Knoblauchzehen
3 Zwiebeln
3 TL gewürfelten Knollensellerie und Karotte
2 EL Olivenöl

Marinade:
3 Lorbeerblaetter
3 Gewürznelken
3 Pimentkörner
1 Stück Orangenschale
1 Sternanis
1 l Rotwein
Pfeffer, Salz
150 g entkernte, schwarze Oliven
1 Zweig Rosmarin
1 Zweig Thymian

Zum Garen nehmen wir am besten einen schweren Gusseisentopf.
Das Fleisch darf ruhig einige Tage in der Marinade verweilen. Zwar hängt der Metzger das Fleisch einige Tage ab, gute Fleischreifung dauert aber 10 Tage.

In jedem Rezeptbuch dröhnt beim Kapitel Braten der Donnerschlag: Von allen Seiten scharf anbraten. So das allgemeine Kommando als wolle man ein Stoßgebet zum Himmel richten, um dem großen Stück Fleisch die Schrecken zu nehmen. Grundsätzlich, das trifft auch auf den Rostbraten oder das Schnitzel zu, sollten Topf oder Pfanne gerade so gewählt werden, dass das Fleisch knapp darin Platz hat.

Pfeffern, salzen und mit Olivenöl von allen Seiten anbraten. Es sollte keine Flüssigkeit austreten, sondern das Stückchen soll bequem vor sich hin brutzeln. Es geht darum, keine verbrannten Fette entstehen zu lassen. Großes Herdfeuer hat was von Kampfgetümmel und selbst jungen Berufsköchen muss man erst einmal diese Hektik abtrainieren, die nur auf den ersten Eindruck tüchtige Überlegenheit suggeriert. Das schmoren im Topf könnte man auch die Kunst der Langsamkeit nennen. Unterm dicht schließenden Deckel geht es sanft zu. Während im Ofen mindestes hundertachtzig Grad das Fleisch angreifen und auch austrocknen, sind im Topf maximal achtundneunzig Grad zu erreichen. Deshalb dauert auch alles länger, und um abzukürzen schneiden die Provencalen ihr Fleisch in Stücke.

Es ist nun Zeit, eine Handvoll würfeliges Wurzelgemüse, Zwiebeln, Sellerie, Karotte beizugeben, nochmals kurz die Temperatur zu erhöhen und bei offenem Deckel das Gemüse zu rösten. Dann wieder den Deckel drauf und zurück zum Rubato des Bratenwendens. Nun beginnt die bedächtige Rhythmik des Küchenwerkelns. Der Braten gibt Saft ab, der im Topf Dampf entstehen lässt. Da alles ganz sanft geschieht, entweicht nicht viel am Deckel, der dicht schließen sollte. Der Dampf kondensiert im Inneren und fällt dann in Tropfen wieder auf den Braten zurück. Es gibt Bratentöpfe, die in der Deckelmitte eine Vertiefung haben, meist unter dem Griff. Wer es ganz perfekt machen will, kann hier Eiswürfel hineingeben, welche die Dämpfe noch besser kondensieren. Der Topf sollte aus dickwandigem Eisen sein, so dass sich die Hitze gleichmäßig verteilt und ein harmonisches Klima gehalten werden kann. Nach wie vor muss die Temperatur soweit gedrosselt sein, dass alles brät, aber trotzdem nicht kocht und nur wenig Saft austritt. Für die richtige Abstimmung braucht es etwas Übung. Der Anfänger muss also öfter den Deckel lupfen und sich Überblick verschaffen, während für den Routinier alle zehn bis fünfzehn Minuten das Kratzen am Topfboden fällig wird. Ab und an muss das Fleisch mit etwas Marinade angegossen werden.

Wir alle haben schon etwas vom Niedertemperaturgaren gehört, insbesondere die Jünger Siebecks schwören darauf. Das hat nichts mit Schmorbraten zu tun und um es nochmals genau ins Gedächtnis zu rufen eine kurze Erklärung dazu: Das Eiweiß des Fleischs gerinnt zwischen fünfundsiebzig und achtzig Grad. Die alte Methode ein Roastbeef zu braten war die, dass man ca. eine viertel bis halbe Stunde im knallheißen Ofen das Stück brät und danach an einer lauwarmen Stelle ziehen lässt, so dass sich die rohen Säfte des Fleischkerns mit den gegarten der äußeren Bereiche austauschten. Bei der Niedertemperaturtechnik wird darauf geachtet, die Gerinnungstemparatur des Eiweißes nicht zu überschreiten – langsames Durchwärmen könnte man das nennen.

Nach einer Stunde kann man mit einer Stick- oder Spicknadel probieren, ob sie sanft ins Fleisch gleitet oder selbst beim Herausziehen noch Mühe macht. Zu oft sollte selbst der größte Zweifler nicht ins Fleisch stechen, denn jedesmal entströmt durch den Einstichkanal Fleischsaft, der zwar die Sauce anreichert aber das Fleisch austrocknet. Die letzte Viertelstunde geben wir noch Gewürze wie Lorbeerblatt, Nelke, einige gestoßene Pimentkörner und, bei Belieben, gehackten Knoblauch zu. Thymian und Rosmarin dürfen auch nicht fehlen.
Die Endphase des Bratens dient auch der Saucenbereitung. Das Fleisch mit der restlichen Marinade untergießen. Vor dem Anrichten wird der Fond entfettet und evtl. mit etwas Mehlbutter angedickt. Gemüsestücke und Kräuterzweige absieben oder man lässt sie drin und serviert sie mit.

Wer vom Rezeptlesen schon ermattet ist, dem sei gesagt, dass der Beruf des Bratenwenders ein hochangesehenes Image hatte: Dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens kann man entnehmen, dass bereits die Zwerge und Unterirdischen mit Vorliebe den Topf mit Braten ehrten.