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Fraß in Betrugsverpackung

 

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Kürzlich regte sich jemand auf, weil ich genauso wie Jamie Oliver argumentierte, der sagte: „Ich finde die Küche der Slumbewohner von Soweto reicher als unsere. Die Menschen in England haben die neuesten Handys und Autos. Ihre Armut zeigt sich aber bei der Ernährung. Das Essen der meisten Briten hat kein Herz.“

Mit den Deutschen ist es nicht viel anders. Und jedesmal, wenn man das kritisiert, kommen Argumente über wirklich arme Leute und alleinerziehende Mütter. Ganz klar, es gibt in Deutschland auch viel unverschuldetes Elend, aber das sind höchstens zehn Prozent der Bevölkerung. Dem gegenüber stehen etwa zehn Prozent, die sich intelligent ernähren. Der Rest hat einen “Aldi-Dachschaden”. Diese Leute sind ganz arm, zu arm, um artgerecht zu essen. Sie brauchen ihr Geld für Mallorca, Flachbildschirme und all das, was die hämmernde Werbung befiehlt.

Mir geht es nicht um Luxus, sondern um Artikel 1 des Grundgesetzes: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Viele Leute in der Nahrungsmittel- und der dafür schleimenden Werbeindustrie vergehen sich an diesem Gesetz.

Wie aber funktioniert Würde, wenn man kaum Geld hat? Nun bringe ich wieder mal den türkischen Händler Kadir ins Spiel. Sein Laden nennt sich Einkaufsparadies und hat ungefähr die Ausstattung und den Charme eines damaligen DDR-HO-Ladens. Dort kaufen keine reichen Leute, sondern türkische Familien und schlaue Deutsche. Unter sechs Sorten Tomaten macht es der Händler nicht. Das Gemüseangebot ist in Originalkisten auf dem Boden, aber absolut gourmetmäßig.

Könnte es sein, dass gewisse Kreise, die so mitfühlend gegenüber ihren sozial schwachen Mitbürgern sind und aus ihrem satten Polstersessel Solidarität herausheulen, solche Underdogläden nie betreten würden? Wissen sie wegen einer chronischen Aldiinfektion gar nicht, wo man sich intelligent, preiswert und gut versorgen kann?

Dann ist es vielleicht auch so, dass der Deutsche, sozial schwach oder stark, ein Recht auf Scheißfraß und Betrug hat. Viele machen davon Gebrauch. Zu denken geben mir auch die Gelbe-Müllsack-Haufen, in dem sich die Betrugsverpackungen schlechter Nahrungsmittel drängen. Diese sind um so größer je ärmer die Leute sind. Wer es nicht glaubt, der fahre mal am Sammeltag gewisse Straßen ab.

Ich weiß schon, was jetzt wieder kommt: „Es gibt viele unverschuldet Arme, alleinerziehende Mütter, gefeuerte Fünfzigjährige.“ Ich höre auch schon: “Herr Klink, sie sind zynisch!“ Verdammt, ganz klar, aber die paar Prozente unverschuldet Verarmter, so betrüblich sie sind, von denen war hier nicht die Rede.