Schon zum zweiten Mal verbringe ich meinen Urlaub auf Amrum. Einer wunderschönen Insel, an der ich Gefallen gefunden habe. Die Beschaulichkeit, der trockene Humor der Insulaner und die Ruhe, die hier herrscht, sind eine willkommene Abwechslung zum Alltag.
Auch im Urlaub mag ich das Kochen nicht sein lassen. Unterwegs mit Freunden und Kindern ist es mir eine tägliche Freude, einfache Gerichte, möglichst mit Produkten hiesigen Ursprungs, zu bereiten. Wenn alle um einen Tisch sitzen, die Gläser klingen und gefrässige Stille herrscht, geht es mir gut.
Morgen abend kommt das wunderbare Fleisch der Salzwiesenlämmer vom Insel-Metzger Helge Dethlefsen auf den Tisch, das ich in seiner Werkstatt selbst zerlegen und marinieren darf. Heute hab ich mir dazu bei ihm mal zwei dralle Keulen reserviert, nächste Woche machen wir beide zusammen Lamm-Bratwürste. Im Nachbardorf werden Kartoffeln angeboten, die hier wachsen. Und Käse, der auf Föhr, der Nachbarinsel erzeugt ist. Sogar einen tollen Bäcker gibt es hier und bestimmt noch mehr hervorragende Viktualien regionalen Ursprungs wie das sagenhaft gute Rindfleisch vom Schlachthof in Husum. Ich halte es für eine sehr begrüssenswerte Entwicklung, dass offenbar immer mehr kleine Erzeuger, mit Idealismus und Gespür für das Machbare, sich auf den Markt wagen.
Man möge es mir verzeihen, dass ich mit der Illusion hierher gekommen bin, auf einer Insel in der Nordsee lebendige und funktionierende Fischwirtschaft vorzufinden. Also ein Meer, ein Boot, einen Hafen, einen Fischer und einen Fischhändler. So wie in Kapstadt, wo man in Hout Bay am Hafen die fangfrischen Yellow-Tails, Cape Salmons, King Klips, Crayfish und viele andere zu räsonablen Preisen erstehen kann.
Es gibt auf Amrum genau einen einzigen Fischer, der halbtags rausfährt und Krabben fischt. Manchmal, eher selten, verwendet er andere Netze und fängt dann auch ein paar Flundern oder Stinte. Die werden, so es welche gibt, direkt in Steenodde am Anleger verkauft. Das war´s dann auch schon mit dem Fisch von hier. Aller anderer Fisch kommt vom Festland, aus denselben Auktionshallen, in denen der Fisch für das Binnenland konfektioniert wird. Die Schüsseln, in denen die Fischsalate in den hiesigen Fischläden angeboten werden ähneln sich auffällig, denn sie kommen vom selben Grosshändler und enthalten natürlich auch dasselbe. Dass die gepuhlten Krabben einen Umweg über Nordafrika hinter sich haben, weiss inzwischen auch jeder. Aber dass die ganzen Fische in den Auslagen dann von sonstwo her sind, verblüfft mich dann doch.
Wenn ich jetzt über Logistik und Vertrieb nachdenke, mir überlege, wie lang der Fisch beim Umweg über das Festland, mit LKW/Bahn über den Hindenburg-Damm zur Nachbarinsel oder von Flensburg mit LKW und der Fähre braucht, ist es naheliegend, dass frischer Fisch in meiner Küche daheim – mitten in Deutschland , 700km weg vom Wasser, bestimmt mindestens genauso schnell ankommt wie hier auf der Insel.
Die Tatsache, dass in Restaurants und Geschäften an Küsten noch lange nicht der Fisch gehandelt wird, der vor der Haustüre schwimmt, mag bestimmt gute Gründe haben. Sie widerspricht aber jeder Vorstellung, die sich förmlich aufdrängt, wenn ich mich am Meer befinde. Dieses Klischee wird ja auch gerne von Manchem bedient und benutzt, der sein Geschäft damit macht.
Romantisch im Hafen-Restaurant zu sitzen, das Wasser an die Mole klatschen zu hören ist noch keine Garantie dafür, dass der Fisch auf dem Teller wirklich da draussen geschwommen ist, wohin der Blick schweift. Da war ich dann wohl zu blauäugig.