Der neue “Häuptling Eigner Herd “ wird demnächst erscheinen. Er beschäftigt sich mit “Landidylle”. Wunderbare Autorinnen und Autoren konnten dafür gewonnen werden.
Anna v. Münchhausen, Joseph von Westphalen, Gerhard Polt, Wiglaf Droste sowieso und von Peter Rühmkorf ist auch etwas dabei und Vincent Klink schreibt eine Saustallgeschichte, die mit Thomas Bernhard zu tun hat. Geistige Lebensmittel für kluge Köpfe werden geboten. Die kulinarisch-literarische Zeitschrift “Häuptling Eigener Herd” Nr. 39 wird freudig, aber Idylle lässt auch jede Menge Raum für Ironie, für Sarkasmus und es gibt auch das, was hier weiter unten gechrieben steht.
Eine besondere Genussidylle sind sogenannte seriöse Tageszeitungen. Anzeigen sind für das Überleben solcher Medien sehr wichtig, deshalb, und vielleicht auch aus demokratischen Erwägungen, sind Sexannoncen keine völlige Verunzierung für ein gehobenes Blatt der gehobenen Stände. Die seriöse Zeitung hat Mühe, seriöse Annoncen zu requirieren und nimmt es deshalb nicht so genau, wenn Supermärkte ihren Ramsch anpreisen. Viele Leser regen sich über die Sexangebots-Annoncen auf, aber die sind, wenn es so weitergeht, der ehrlichere Teil des Anzeigengeschäfts. Mit kritischem Auge beobachten Zeitungen, was um sie herum geschieht. Gut so, aber, das muss man auch anmerken: Damit daheim der Bürger weiß, wo er den billigsten Müll kaufen kann, sind Zeitungen zum Megaphonen der Lebensmittelmüllkonzerne verhurt.
Beispiel Stuttgarter Zeitung Nr. 121 vom 28. Mai 2009
S. 5 Pennymarkt
Großformatig jede Menge Mist im Angebot. Iglo Schlemmerfilet und Langnese Cremissimo Eis, und wer gar kein Herz für Tiere hat, kann sich grillfertige Schweinerückensteaks ergattern, gerade mal für 5.98.
Zwei Seiten weiter versucht REWE, den Konkurrenten Penny fertig zu machen, ohne dabei zu denken, dass damit auch die nichtsahnende Kundschaft traktiert wird, nämlich mit dem Glanzstück der bunten Seite: Rollsaftschinken 100 Gramm 0,99 Cent.
Und wieder zwei Seiten weiter geht es ganzseitig tierisch bunt zu. Aldi, der Retter des Geldbeutels, bietet eine Schweine-Grillplatte an, die 800 Gramm Quälfleisch zu 5.99 offeriert. Damit sich den Grillern das Hirn sich vollends ganz verdreht gibt’s noch eine Grillschnecke zum Kilopreis 5.97
Liebe Leute, ein guter Koch kauft solche Produkte zum doppelten Preis ein, wenn er nicht seine Kundschaft verarschen will. Und glaubt irgend jemand, dass es zum halben Preis etwas gibt, dass den ganzen Preis wert wäre. Beim Auto lässt sich der Deutsche Geizkragen nicht so schnell veräppeln. Wer sich keinen ganzen Porsche leisten kann, der wäre mit einem halben nicht zufrieden. Jedem Teutonen leuchtet ein, dass ein Porsche mit nur zwei Rädern Mist ist. Beim Essen jedoch genügt Viertelsqualität.
Nun kommt in der Stuttgarter Zeitung auf Seite 19 eine viertelsseitige Werbung. Relativ mickig, ohne Farbe, aber dem Kaufhofkonzern geht’s, glaube ich, nicht so richtig gut. Immerhin bieten sie “Gutfleisch” an. Niemand weiß, was das bedeuten soll, und es ist sicher auch nicht zu empfehlen mit der Wahrheit, nämlich „Drecksfleisch“, an den Start zu gehen. Dafür wird Käse geboten der sich „Felsenkäse“ nennt. Da ist dem Werbetexter kein feudalerer Begriff eingefallen, jedenfalls handelte es sich dabei um deutschen Käse, was ja auch kein Qualitätsbegriff ist, wenn man an die vielen Tonnen griechischen Fetakäse denkt, der in der Gegend um Kempten fabriziert wird. Jedenfalls handelt es sich beim „Felsenkäse“ um ein Produkt aus tagesfrischer Heumilch. Immerhin wird der Käse für obszöne 4.44 das Kilo nicht aus Reißnägeln gepresst, wie ein gewisser Marinetti vor 80 Jahren rezeptierte…
Überhaupt lesen sich die ganzen Lebensmittelwerbetexte wie ein Abgesang auf den Dadaismus, so dass man sich für die schlichte Art einen Fisch anzupreisen fast wundert: Steinbeißer-Rückenfilet grätenfrei, 100g 2.29. Da hätte man wirklich noch ein bisschen weiter texten können, und erwähnen „Leute, die Meere sind gnadenlos abgeräumt, hier aber gibt es noch das, was dumme Ärzte seit dem letzten Krieg ahnungslosen Patienten nachrufen: „Esst mehr Fisch!“
Was für ein Tag, dieser 28. Mai, welch ein Mampfwerbeaufkommen und Segen für die Stuttgarter Zeitung Nr. 121. Seite 25 ging an den EDEKA-Konzern. Da signalisiert der Schweinepreis von 9.99 noch relativ naschvollziehbare Zustände. Da möchte man glatt sagen, auch wenn man das restriche Angebot prüft: „Kauft bei Edeka!“ Auf Seite 27 dann die finale Botschaft des Lebensmitteldealers Marktkauf: Schweinebraten, Schulter mit Knochen und Speck für nur fies-mickrige 2.22 das Kilo.
Letzte Woche wurde ich in einem Interview des Bayerischen Rundfunks gefragt wie Schweinefleisch schmecke. Wie ich es formuliert habe weiß ich nicht mehr, aber liebe Leser, können Sie sich vorstellen wie ein Mensch riecht der ein Jahr in seinen eigenen Exkrementen auf einem Spaltenboden steht und schläft. Nicht auszudenken. Deshalb sollte man daran denken, wie das Schweinefleisch dieser Angebote schmecken könnte. Gottseidank kam jemand auf die Idee, solches Schweinefleisch mit Würzmitteln zu marinieren. Ah, ja, ja lieber Knoblauchpulver in der Nase als Klogeruch. Ich weiß, der Deutsche hat Anspruch auf tägliches Fleisch, die Politiker verkaufen uns das als ein Stück Freiheit und die Lebensmittebranche pocht darauf, dass Fleisch „Leben und Kraft“ gibt.
Es bleibt zu hoffen, dass Zeitungen noch andere andere Einkommensquellen haben als die Abonnenten und den Lebensmittel-Anzeigenbetrug. Man fragt sich, wenn diese Ausgabe 121 der Stuttgarter Zeitung nahezu total von den Lebensmittelkonzernen bezahlt wurde, kann es über diese dann noch eine unbeeinflusste Berichterstattung geben. Immer wieder heult der Journalismus über die Beschneidung der Pressefreiheit, überhaupt dann, wenn ein Prominenter wegen der Reportage um das Innenleben seiner Unterhose vor den Kadi zieht. Ich frage mich haben sich die Printmedien nicht schon längst selbst um die Pressefreiheit gebracht?