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Rabatz mit Kapaunen II

 

Am 1. April hatte ich in meiner harmoniesüchtigen Art die Italiener in Schutz genommen, die sich für kastrierte Göckel, also Kapaune, sehr begeistern. Nach wie vor ist es mir nicht sehr wohl, dass wir Deutschen uns als typische deutsche Schulmeistern aufspielen.

Folgende Mail kam ins Haus und die will ich hier veröffentlichen, um nicht den Eindruck zu erwecken, ich halte mit Kritik hinterm Berg.

Lieber Herr Klink,
mit Verlaub, aber was Sie zu den Kapaunen geschrieben haben, ist ein Scheiß, den ich Ihnen nicht zugetraut hätte. Tierschutzfundamentalismus liegt mir fern. Und der Vereinigung Provieh noch viel mehr.
Was die tun, ist der Versuch, ein kleines bisschen Moral in dieser moralisch verdreckten Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Ohne jedes Gutmenschengerede. Und wenn ich dann tatsächlich lese, dass Ihrer Ansicht nach die Kapaune ein altes Kulturgut sind, das sind die spanischen Stierkämpfe auch. Leider nur mit unnötiger Qual verbunden, Qual für Lebewesen, die nur eine schwache Lobby haben und sich nicht wehren können. Und wir wollen nun wirklich keinen bekehren, sondern nur ein bisschen nachdenklich machen.
Wir wollen auch das Schlachten nicht abschaffen, dazu essen wir viel zu gern Fleisch, genauso wenig wie das Blattlausbekämpfen, dazu essen wir viel zu gern Salat. Was wir aber nicht wollen, ist unnötige Qual von Kreaturen für einen fragwürdigen Genuss von selbsternannten Herrenmenschen. So einfach, wie Sie es sich gemacht haben – das geht nicht.
Noch mal zur Veranschaulichung: Schnitt in die Bauchhöhle, Abknipsen der Hoden tief im Bauchraum und zum Schluss noch Abschneiden des Kammes und der Bartlappen, und das alles ohne Betäubung. Stellen Sie sich das doch einfach mal plastisch bei sich selbst vor. Und so was verkauft Slow Food als „Artenschutz“ und „Rettung der Kapaune“! Und Sie nennen das allen Ernstes altes Kulturgut? Wie viel Promille muss man haben, um so etwas ernsthaft behaupten zu können, ohne rot zu werden? Oder ist das Datum Ihres Tagebucheintrags Programm (1. April)? Ich finde, Sie dürfen sich freiwillig ein ganz klein bisschen schämen.

Was macht man, wenn man so etwas ließt? Man denkt nach und wird nachdenklich. Ich muss mir sagen: Der Mann hat Recht. Wenig später kam ein Brief vom Chef des Vereins Provieh e.V. und er erklärte mir sehr vernünftig, dass Tierzucht ohne Kastration sehr gut zu bewerkstelligen sei: „Den Schmerz einer betäubungslosen Kastration billigend in Kauf zu nehmen, nur weil unsere Ahnen es nicht besser wussten. Ist das in Ihren Augen Fundamentalismus. Unseren jüngsten Einspruch an Slowfood wegen des unkritischen Artikels zum Kapaunisieren aber unter dem Stichwort ‚Tierschutz-Fundamentalismus‘ abzukanzeln finde ich ziemlich dämlich.“ Ende des Zitats.

Stimmt, Tierschutzfundamentalismus ist etwas ganz anderes und ich entschuldige mich für diese leichtfertige Formulierung.

Jetzt aber ein kleiner Sprung.

David Foster Wallace schrieb, kurz bevor er sich erhängte, einen blendenden Essay über das Hummertöten. Mit Denis Scheck werde ich über dieses Buch im Literaturhaus Stuttgart am 25. Mai diskutieren.

Mein Problem: Für Vegetarismus gibt es jede Menge Argumente. Als Fan für Fleisch könnte ich die tierischen Eiweiße, Minerale, altes Kulturgut und sonstige kraftspendende Inhaltsstoffe ins Feld führen. Ehrlich gesagt, ohne die Inhaltsstoffe, Traditionen und Gewohnheiten würde das Leben trotzdem weitergehen. So habe ich letztlich nur ein einziges Argument, das allerdings sehr, sehr schwer wiegt, für mich im Grunde gegen alles aufwiegt?: „Es schmeckt gut“.

Dankbar wäre ich für Zuschriften, die mir noch weitere Gründe nennen könnten.