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Zusammenhalt um jeden Preis

 

Für jeden anständigen Food-Fundi gibt es ein paar Themen, die ihn schon bei bloßer Erwähnung an die Decke bringen. Transglutaminase ist so ein absolutes No Go. Man kann mit ihr eiweißhaltige Lebensmittel verkleben, um vorzutäuschen, dass ein Schinken ein Schinken sei, obwohl es sich lediglich um minderwertige Abschnitte handelt. Davon stehen dann die Zeitungen voll und alle Verbraucher fühlen sich böse getäuscht (wieder mal). Haben sie doch tatsächlich geglaubt, für 3,99 Euro das Kilo richtig anständigen Hinterschinken von glücklichen Schweinen gekauft zu haben.

Was ich von Transglutaminase halten soll, weiß ich selbst noch nicht. Das Produkt ist frei verkäuflich, in der Lebensmittelindustrie wird es schon lange eingesetzt (auch bei Fisch- und Milchprodukten) und etliche, auch hochdekorierte Kollegen verwenden sie. Schaffen damit neuartige, innovative Gerichte. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass man diese Chemie im Essen nicht braucht, auch früher ohne sie ausgekommen ist.

Aber darf ich mir es so einfach machen? Auf die ewig Gestrigen hören, die alles verdammen, was es sonst auch nicht gab? Waren das die Gleichen, die bei der Erfindung der Eisenbahn den Untergang des Abendlandes befürchtet haben? Wegen des Luftzugs und der unweigerlichen Lungenentzündung? Die gleich einem Taliban sofort „Molekularküche!“ blöken, wenn sie irgendein harmloses Pülverchen sehen? Die aber bedenkenlos gepökelte Wurst und Laugenbrezeln verzehren.

Um mir eine fundierte Meinung zu bilden, hab ich mal einen Versuch gemacht, mit drei Lammbäuchen und Transglutaminase. Absichtlich mit Lammbäuchen, denn wenn ich drei Lammsättel (Müritz-Lamm) bestelle, kann ich mit den daran hängenden geschätzten 200g pro Bauch nichts Vernünftiges anfangen, bei dem der Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis stünde. Bestenfalls als Abschnitt in die Soße könnten die taugen. Das aber nur, um nicht im Abfall zu landen.

Gesagt, getan: Wir haben die Bäuche mit Transglutaminase bestreut, zusammen mit Rosmarinzweigen, geschrotetem Pfeffer und Senfkörnern vakuumiert und dann 8 Stunden bei niedriger Temperatur gegart. In große Würfel geschnitten und gebraten. Das Ergebnis schmeckt sehr gut und ist saftig. Es ist besser als alles, was man aus dem Ausgangsprodukt hätte machen können, so fair muss ich beurteilen.

In der Bewertung bleibe ich dennoch offen, weil mir das Zeug trotzdem suspekt ist. Unter Köchen gibt es große Diskussionen, pro und contra Transglutaminase. Ich habe mich zwischen Zustimmung und Ablehnung noch nicht entschieden.

Infos zum Produkt gibt es auf den Herstellerseiten: http://www.ajinomoto.de/cms/front_content.php?idart=330