Gute Brühe ist die Basis für Suppen, Soßen, für Risotto und für allerlei weitere Rezepturen. Um eine gute Brühe herzustellen, werden Inhaltsstoffe von Fleisch oder Fisch, von Gemüse, Kräutern und Gewürzen ausgekocht, wird der Geschmack der festen Lebensmittel in das Wasser transformiert.
Meine Lehrmeister haben mir beigebracht, dass eine Brühe unbedingt kalt aufzusetzen und dann sehr langsam zu erhitzen sei, wenn ich den Geschmack aus dem Fleisch in die Brühe herüberholen wolle. Käme es hingegen darauf an, den Geschmack möglichst im Fleisch zu halten, sei Suppenfleisch ausschließlich in heißes Wasser zu legen, so blieben die Inhaltsstoffe drin. Der Grund dafür sei das bei der Erhitzung gerinnende Eiweiß. Auch von irgendwelchen Poren, die sich schließen würden, wurde was erzählt. Kulinarisches Jägerlatein der 80er Jahre.
Diese, wie so manche weitere „Vorschrift“ habe ich wie gelernt übernommen und lange nicht hinterfragt. Jede Menge Vorgehensweisen galt es zu merken, die halt so waren, wie sie waren. Es war schließlich schon immer so.
Doch gibt es heute glücklicherweise immer mehr Interesse an den Prozessen selbst, wollen immer mehr Köche wissen, was eigentlich genau in ihren Töpfen und in der Pfannen passiert. Wer diese Prozesse kennt und versteht, ist leichter in der Lage einzugreifen und Neues zu schaffen. Heerscharen von Menschen beschäftigen sich mittlerweile mit der Entschlüsselung der Vorgänge, die das Kochen ausmachen.
Dabei wurde eine erstaunliche Entdeckung gemacht, die sich recht vernünftig anhört. Ich bin kein Physiker, kein Chemiker und auch kein Biologe. Aber diese Erklärung klingt für mich logisch und sie funktioniert in der Praxis:
Wie gut sich die Inhalts- und Geschmacksstoffe aus den festen Bestandteilen extrahieren lassen, hängt mitnichten von der Starttemperatur des Kochwassers ab. Vielmehr ist entscheidend wann, und wenn, dann wieviel Salz dem Wasser zugegeben wird. Bereits in geringen Mengen entscheidet die Salzzugabe durch die bewirkte Veränderung der Wasserdichte darüber, ob lösliche Stoffe aus den festen Stoffen ausdiffundieren oder nicht (Osmose).
Gemäß dieser Theorie sollte:
wer gute Brühe erhalten will zum Garzeit-Ende salzen
wem es auf den Erhalt des Geschmacks in den festen Bestandteilen ankommt, sollte gleich salzen
wer gute Brühe und gutes Fleisch will, salzt nach ungefähr der halben Garzeit
Wann auch immer gesalzen wird und gleich welche Brühe das dann ergibt, kommt hier noch ein Tip für ein stark unterschätztes Fleischteil, das gut gekocht einen Suchtfaktor besitzt: die Zwerchrippe.
Sie ist ein Teil des Brustkorbs und befindet sich unterhalb von Hals und Hochrippe. Am besten als Leiter in ca 10 cm breite Streifen geschnitten. Dieses Teil sieht mit den quer gesägten Rippenknochen aus wie eine Leiter, weil sich von innen Rippen und Fleisch immer wieder abwechseln. Äusserst preisgünstig (in bester Qualität ca 6 Euro pro kg) und nach ungefähr 2 bis 2,5 Stunden Kochzeit bei schwacher Hitze eine Delikatesse ganz besonderer Güte. Zu genießen mit Salz und frisch geriebenem Meerrettich oder mit bestem Senf. Kaufen Sie zum Kochen kein abgehangenes, sondern möglichst frisches Fleisch und machen Sie dabei dem Metzger Ihres Vertrauens eine Freude, wenn Sie ihn nach diesem Stück für Insider fragen. Die gute Brühe gibt es als Nebenprodukt, da braucht es nur noch Suppennudeln oder selbstgemachte Grießklösschen zu einer Festsuppe.
Nachtrag vom 17.11.2010
der Beitrag hat unerwartet viel Aufmerksamkeit hervorgerufen, viele clicks und Kommentare zeigen, dass es an dem Thema Interesse gibt. In Kürze werden sich einige renommierte Fachleute aus den Gebieten Biologie, Fleischtechnik, Physik, Fleischhandel und meine Wenigkeit treffen und dabei versuchen, einige dieser beschriebenen hochkomplexen Zusammenhänge wissenschaftlich zu betrachten. Ich werde berichten.
Viele Grüsse, Christian Mittermeier