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Sundance: Kinofilme waren gestern

 

(© Scott Halleran/Getty Images)
(© Scott Halleran/Getty Images)

Auf dem Sundance Film Festival, das in dieser Woche in Park City in Utah stattfindet, werden traditionell die kommenden Indie-Hits des Jahres gesucht. Doch dieses Jahr zeigt: Längst geht es nicht mehr bloß um den Erfolg an der Kinokasse. Stattdessen schalten sich immer mehr Online-Anbieter in das Geschäft mit den Exklusivrechten ein. Für viele Filmemacher dürfte die Veröffentlichung im Netz am Ende sogar die einzige Alternative sein.

Das war noch vor wenigen Jahren unvorstellbar. Sundance gilt in seinem mehr als dreißigjährigen Bestehen als eines der wichtigsten Festivals für US-Indiefilme. Wer seinen Film hier zeigen durfte, hatte bisweilen gute Chancen auf einen lukrativen Deal – und manchmal auch auf den ganz großen Erfolg.

2006 etwa debütierte Little Miss Sunshine in Park City. Während der Produktion noch als „wenig kinotauglich“ eingestuft, spielte der Film mehr als 100 Millionen US-Dollar weltweit ein und gewann zwei Oscars. Ähnliches gelang Precious nur drei Jahre später. 2010 machte auf dem Festival eine gewisse Jennifer Lawrence durch ihre Rolle im Hinterwäldler-Drama Winter’s Bone erstmals auf sich aufmerksam.

Rückläufige Erlöse für Indiefilme

Doch die Zeiten, in denen sich die Vertriebe unmittelbar nach dem Screening eines Films gegenseitig im Handel um die Rechte überboten, scheinen vorbei. Wie die New York Times vorrechnet, fielen die Erlöse der fünf erfolgreichsten Sundance-Debütanten seit dem erfolgreichen Jahr 2006 auf mehr als die Hälfte, zwischen 2010 und 2012 sogar auf unter ein Drittel. An der Qualität liegt es nicht: Das hochgelobte Beasts of the Southern Wild, immerhin der Caméra-d’Or-Gewinner von Cannes, spielte 2012 in den USA lediglich 12,8 Millionen US-Dollar ein.

Inzwischen ist die Filmwirtschaft deshalb vorsichtig geworden, wenn es nicht gerade um bekannte Marken und Namen geht. Die traditionelle Veröffentlichungskette vom Kino hin zum DVD-Verkauf und schließlich ins Fernsehen löst sich zunehmend auf. Die digitalen Filmverkäufe auf Plattformen wie iTunes, Netflix oder über die Kabelanbieter steigen zwar jährlich, können aber den Verlust des DVD-Geschäfts zurzeit lediglich ausgleichen. Zudem drängen immer mehr On-Demand-Anbieter (VoD) auf eine möglichst schnelle Veröffentlichung, was wiederum die Kinobetreiber und damit auch die Verleiher unter Druck setzt.

Für die aufstrebenden Filmemacher und Schauspieler auf dem Sundance und anderen Festivals bedeutet das konkret, dass die Filmvertriebe häufig keine Vorschüsse mehr zahlen, sondern die Macher stattdessen nur an den tatsächlichen Erlösen beteiligen. Andere, auch etablierte Vertriebe, konzentrieren sich immer öfter auf die VoD-Veröffentlichung und lassen Filme nur für kurze Zeit in ausgewählten Kinos laufen, um den offiziellen Spielfilmstatus zu erlangen.

Neue Online-Anbieter betreten den Markt

Doch wo die klassischen Verleiher zögern, betreten neue aus dem Onlinebereich den Markt. Rena Ronson, eine Vertreterin der United Talent Agency, die einige Filmemacher des diesjährigen Sundance-Programms vertritt, sagt der New York Times, dass die „zusätzlichen Vertriebsfenster inzwischen nicht nur Nebensache“ seien.

Gemeint sind Plattformen wie Netflix, die herkömmliche Vertriebswege einfach überspringen. So sicherte sich die Streaming-Plattform bereits vor der Sundance-Premiere die Exklusivrechte an der Dokumentation Mitt, die sechs Jahre lang den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney begleitet. Bereits am Freitag, einen Tag vor dem Ende des Festivals, erscheint der Film online.

Auch die Videoplattform Vimeo sucht inzwischen aktiv nach Exklusivinhalten. Soeben haben die Betreiber die Streaming-Rechte an 13 Filmen des Toronto Film Festival gesichert. Außerdem verspricht Vimeo ein Marketingbudget von bis zu 500.000 US-Dollar für Filme, die über Kickstarter finanziert wurden. Das ist zwar weit entfernt von den zehn Millionen US-Dollar, die Fox einst für die Rechte an Little Miss Sunshine ausgab. Doch es ist eine Option für Indiefilmer, die bei klassischen Vertrieben keine Chance haben.

Ein anderer Anbieter ist Fandor. Die Streaming-Plattform ist auf Indiefilme spezialisiert und basiert auf einem interessanten Geschäftsmodell: Die Hälfte aller Erlöse aus dem Abo-Geschäft werden wieder an die Filmemacher ausgeschüttet. Am Mittwoch gewann der Kurzfilm Rat Pack Rat, der exklusiv auf Fandor läuft, den Sundance Jury-Award in der Kategorie „Beste Vision“. Jonathan Marlow, CCO von Fandor, sagte dem Filmportal Indiewire, dass man zudem hoffe, auf dem Festival noch mehr Kurzfilmer für die Plattform gewinnen zu können.

Alternative: Selbstvertrieb

Nicht zuletzt ist auch der lange Zeit belächelte und allenfalls als Notlösung angesehene Selbstvertrieb eine Möglichkeit, Inhalte an das Publikum zu bringen. Sundance bietet seit vergangenem Jahr in seinem Künstlerprogramm Kooperationen mit Anbietern wie Reelhouse und VHX an. Sie ermöglichen Filmemachern den Vertrieb von Inhalten über die eigene Website. Vor allem Filme, die bereits eine Fanbase mitbringen, etwa durch eine Crowdfunding-Kampagne, können hier von fairen Konditionen profitieren, ohne die Rechte an Vertriebe abtreten zu müssen.

Circa 12.000 Filme wurden in diesem Jahr für das Sundance Festival eingereicht. 117 Spielfilme und 66 Kurzfilme haben es in das offizielle Programm geschafft. Vielleicht die Hälfte der Macher wird am Ende einen Vertrag mit einem Vertrieb unterschrieben haben, schätzt Adam Leipzig von der Filmberatungsfirma Entertainment Media Partners.

Der Schauspieler Robert Redford, der Sundance einst mitgründete, sieht das Festival ohnehin in erster Linie nicht als Filmbörse. „Sundance möchte unterschiedlichen Stimmen eine Chance geben“, sagt Redford. Am besten natürlich über das Festival hinaus. Deshalb gilt für alle Filmemacher, die ihre Arbeit nicht mehr unbedingt im großen Kinosaal sehen müssen: Nie waren die Vertriebsmöglichkeiten so vielfältig wie heute.