„Ein Liebesbrief an die Fans“ sei dieser Film, sagt der Drehbuchautor Rob Thomas über das am Wochenende erschienene Veronica Mars: The Movie. Die Spielfilm-Adaption der gleichnamigen TV-Serie hat tatsächlich noch einmal alle zusammengebracht: die Protagonistin, die ihre Zeit als jugendliche Hobby-Detektivin hinter sich gelassen hat und nun in New York lebt. Der Ex-Freund, der unter Mordverdacht steht und Veronica um Hilfe bittet, was zu einem warmen Wiedersehen mit alten Freunden und Feinden in der kalifornischen Kleinstadt führt. Dazu etwas Mystery und Noir, flotte Dialoge und ein bisschen Teenage Drama. Wer die Serie mochte, wird von dem Film nicht enttäuscht sein.
Doch die Geschichte von Veronica Mars ist nicht bloß die eines ungewohnten Comebacks. Die Entstehung des Films ist dem Internet und den Fans der Serie zu verdanken. Und sie stellt die Frage, ob Veronica Mars eine neue Ära der Filmwirtschaft einleiten könnte oder ein kurioser Einzelfall bleibt.
Wo Fans sind, ist auch ein Markt
Dass Veronica Mars überhaupt noch einmal auf den Bildschirmen auftaucht, ist jedenfalls bemerkenswert. Die Serie lief ursprünglich in drei Staffeln zwischen 2004 und 2007. Obwohl von den Kritikern gelobt und den Fans geliebt, schaffte es die Serie nie aus der Nische im umkämpften US-Primetime-Geschäft. Zum Ende hatte Veronica Mars mit die schlechtesten Einschaltquoten aller Serien und wurde schließlich abgesetzt.
Rob Thomas präsentierte dem Rechteinhaber Warner Brothers schon früh ein Drehbuch für eine mögliche Filmfortsetzung. Offenbar verschreckt von Experimenten wie Serenity, der gelobten, aber finanziell enttäuschenden Spielfilm-Adaption von Josh Whedons Sci-Fi-Serie Firefly, lehnten die Verantwortlichen ab. Zudem untersagten sie Thomas, den Film unabhängig zu produzieren.
Für Thomas und die Hauptdarstellerin Kristen Bell war die Sache damit erledigt. Nicht aber für die Fans. Wie auch Arrested Development, das inzwischen von Netflix wiederbelebt wurde, florierte Veronica Mars abseits des Fernsehens. Der Kultstatus der Serie sprach sich herum und so blieben die DVD-Verkäufe über Jahre hinweg beständig. Dazu kamen die neuen Medien: Über Streamingportale erreichte die Serie die Wohnzimmer neuer Fans, die sich zunehmend auch über die sozialen Medien austauschten.
Thomas und Bell, beides aktive Twitter-Nutzer, merkten, dass auch Jahre nach dem Ende der Serie viele Menschen an einer Fortsetzung interessiert waren. Es gab offenbar einen Markt – aber wie konnten sie ihn erschließen und gleichermaßen die Verantwortlichen von Warner überzeugen?
Crowdfunding erobert Hollywood
Die Antwort kam Thomas erstmals im Jahr 2011, als er Kickstarter entdeckte. Zwei Jahre später startete er die Kampagne für Veronica Mars: Zwei Millionen US-Dollar peilten er und Bell an. 5,7 Millionen kamen am Ende dabei zusammen. Es ist die höchste Summe, die ein Filmprojekt jemals erreichte. 91.585 Unterstützern bedeuten zudem einen neuen Rekord auf der Plattform Kickstarter.
Dennoch war die Kampagne umstritten. Kritiker warfen den Initiatoren vor, nicht nur sich, sondern auch Warner von den Fans bezahlen zu lassen. Sollte der Film tatsächlich ein Erfolg werden, würde davon schließlich vor allem die Filmfirma profitieren. Und das, ohne dafür viel getan zu haben. Ähnliches musste sich auch Zach Braff anhören, als er seinen kommenden Film auf Kickstarter vorstellte.
Eines zeigt die Kampagne in jedem Fall: Crowdfunding ist nicht mehr nur für die vermeintlich kleinen Hobbyfilmer. In Zeiten, in denen die Budgets für kleinere Titel und unbekannte Filmemacher auch in Hollywood sinken, kann die Unterstützung der Masse über ein Projekt entscheiden. Junge Filmemacher wie Freddy Wong drängen mit diesem Modell von YouTube aus in das traditionelle Filmgeschäft. Die Voraussetzung ist, dass die Zuschauer und Fans sich nicht als Geldgeber sehen, sondern für ihre Unterstützung einen fairen Gegenwert bekommen.
Ein Experiment mit wenig Risiko
Bei Warner war man dennoch skeptisch, als Thomas die Idee des Crowdfundings vorstellte. Dass die Aktion dennoch zustande kam, ist vor allem einer Person im Warner-Management zu verdanken: Thomas Gewecke, der Leiter des digitalen Verleihgeschäfts.
Was Rob Thomas präsentierte, war für Gewecke nicht bloß die Fortsetzung einer mäßig erfolgreichen TV-Serie und Gratis-Film für sein Studio. Es war eine Form des viralen Marketings: Statt Millionen in ein Werbebudget zu stecken, sorgen die Fans im Netz für Aufmerksamkeit. Warner lenkte schließlich ein und übernahm außerdem die Versandkosten der Kickstarter-Geschenke sowie der fertigen DVDs für die Unterstützer.
Auch wenn Warner das finanzielle Risiko durch das Geld der Fans minimierte, ist die Entscheidung für die Crowdfunding-Kampagne eine Besonderheit im Filmgeschäft. Erstmals öffnet sich damit ein großes Studio einer alternativen Finanzierungsmöglichkeit.
Die Implikationen könnten weitreichend sein – theoretisch: Filmemacher und Fans bekommen mehr Entscheidungskraft, längst abgesetzte Serien könnten wiederbelebt werden. Vor allem bringt es die Zuschauer und die Filmwirtschaft näher zusammen. Entscheidend ist, ob sich die ganze Sache lohnt oder lediglich einen nostalgischen Wert für die Fans der Serie bereithält.
Aber lohnt das?
Obwohl Veronica Mars am Ende mehr als drei Millionen US-Dollar mehr einnahm als geplant, ist das Budget für einen zweistündigen Film im Vergleich zur klassischen Finanzierung verschwindend gering. Wie Thomas betont, war die Realisierung nur möglich, weil sich die Darsteller und Crew mit einer geringen Gage zufrieden gaben. Nur 23 Drehtage standen dem Team zur Verfügung. Dem Film sieht man das nicht an, aber es stellt sich die Frage, ob dieses Low-Budget-Modell nicht doch eine Ausnahme bleibt.
In etwa 290 US-Kinos lief Veronica Mars am vergangenen Wochenende an. Es ist kein gewöhnlicher Kinostart, denn Warner mietete diese Kinos vorab an. Im Gegenzug bekommt das Studio die kompletten Ticketeinnahmen anstelle der üblichen 50 Prozent. Knapp 242.000 Zuschauer sahen den Film am ersten Wochenende, was in etwa einem Erlös von zwei Millionen US-Dollar entspricht. Das sei nicht schlecht, aber zu wenig, um tatsächlich von einem Erfolg zu sprechen, schreibt Adam B. Vary auf Buzzfeed. Schließlich fehlten noch 3,7 Millionen US-Dollar, um die Produktionskosten wieder reinzuholen. Und wer, wenn nicht die Fans der Serie sollten ins Kino gehen?
Streaming ist keine Resteverwertung
Die Details stecken im Online-Verleih. Dass Warner die Kinos angemietet hat, ist nämlich dem Umstand geschuldet, dass Veronica Mars zeitgleich zum Kinostart auch online erscheint – jedenfalls in den USA. In Deutschland müssen die Fans noch auf einen VoD-Termin warten. In der Regel lassen sich die Kinobetreiber in den USA ein Exklusivfenster von 90 Tagen zusichern. Dass Warner mit Veronica Mars das umgeht, ist ein weiterer mutiger Schritt und gleichzeitig ein Eingeständnis an die Online-Community: Nur so ist garantiert, dass alle Unterstützer den Film auch zum Start sehen konnten.
Ganz ideal lief der Start nicht. Warner hatte den Kickstarter-Unterstützern zum Start lediglich einen Code für das eigene Streamingportal Flixster geschickt, was bei vielen nicht lief. Sie hatten gehofft, den Film auf Plattformen wie iTunes oder Amazon gratis sehen zu können. Inzwischen hat Warner reagiert und allen Spendern eine Erstattung angeboten, um den Film auch auf anderen Portalen kaufen zu können.
Den Startproblemen zum Trotz könnte das von den Studios oft als Resteverwertung geschasste VoD-Geschäft entscheidend sein. Nicht nur löst Veronica Mars das traditionelle Modell mit Vertriebsfenstern auf. Am Wochenende war der Film auf Platz drei der Filmcharts und die erste Staffel der Serie auf Platz eins der TV-Charts in iTunes. Die Mundpropaganda in den sozialen Netzwerken scheint also zu funktionieren und den Film auf diesem Weg zum Erfolg zu machen.
Und auch wenn Veronica Mars am Ende bloß ein Einzelphänomen ist, dass von einer Gruppe leidenschaftlicher Fans finanziert wurde: Eines hat der Film schon jetzt erreicht. Die großen Studios sind einmal mehr aufmerksam geworden auf die Möglichkeiten, die aus dem Netz kommen. Und auch für die pfiffige Detektivin muss es nicht der letzte Auftritt sein. Man habe sich mit Warner auf eine Zahl geeinigt, sagt Rob Thomas, bei der über einen weiteren Film nachgedacht wird.