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Netzfilm der Woche: „In Real Life“

Wer braucht schon Freunde, wenn man einen Spektraltiger besitzt und den Lichkönig getötet, wenn man mehr als 9.000 Achievementpunkte errungen und 50 Fraktionen angehört hat? So dachte der Brite Anthony Rosner für mehrere Jahre seines Lebens, nachdem er 2005 mit dem Online-Rollenspiel World of Warcraft begann. Er sei zu dieser Zeit depressiv gewesen, erzählt er heute, habe sich abgekapselt von seinen Freunden und sich stattdessen eine zweite Identität im Netz aufgebaut. Als Blutelf Sevrin hat Rosner in World of Warcraft in den kommenden Jahren fast alles erreicht, was es zu erreichen gilt. Er hat einen erfolgreichen Clan geführt, war unter anderen Spielern angesehen, hat zwischenzeitlich im Spiel sogar ein Mädchen aus Norwegen kennengelernt.

Nur im echten Leben, da lief es plötzlich nicht mehr so gut, und das nicht nur bei den Mädels. Bevor Rosner sein Studium begann, legte er ein freiwilliges Jahr Pause ein, um sich noch mehr dem Spiel widmen zu können. Er wurde übergewichtig, schlief schlecht, hatte kaum mehr Kontakt zu seinen Freunden. Zwischenzeitlich zahlte er mehr als 1.000 Pfund in Abogebühren und Extras. Geld, das er eigentlich nicht hatte. Bis er eines Tages merkte: Es geht nicht mehr. Rosner war videospielsüchtig.

In seinem Kurzfilm In Real Life erzählt Rosner die Geschichte von seinem Aufstieg als gefeierter Gamer bis zum Ausstieg als gebeutelter Loser. Ein Prozess, der nicht leicht war: Immer neue Erweiterungen zogen ihn ständig zurück ins Spiel. Doch Rosner schaffte es, sein Sozialleben wieder neu aufzubauen, gesünder zu leben und sich neue Ziele zu setzen. Inzwischen hat er einen Uni-Abschluss als Filmproduzent und mit In Real Life seinen ersten kleinen Erfolg in der Tasche.

Das Clevere an In Real Life ist, dass Rosner die Geschichte fast ausschließlich mit tatsächlichen Spielszenen erzählt, sein Alter Ego im Spiel damit zum Erzähler macht, der bisweilen über sich selbst lachen kann. Überhaupt ist In Real Life kein Anti-Videospiele-Pamphlet, sondern eine ehrliche, persönliche Erzählung, die andere Spieler in ähnlicher Situation nicht bloß warnen, sondern inspirieren möchte.

 

Nominierungsphase für den Webvideopreis 2013 gestartet

Seit gestern können Webvideo-Produzenten ihre Inhalte für den Deutschen Webvideopreis einreichen. Neu ist in diesem Jahr, dass die Einsendungen nicht mehr alle von einer Jury gesichtet und nominiert werden, sondern die Verbreitung in sozialen Netzwerken gemessen wird: Jedes Video kann auf der Website des Webvideopreises angesehen und anschließend per Twitter, Facebook oder Google+ weiter verbreitet werden. Daraus ergibt sich anschließend eine Nominiertenliste aus insgesamt 13 Kategorien. Einsendungen werden bis zum 28. April akzeptiert, die Teilnahmekriterien stehen auf der Website.

In der zweiten Abstimmungsphase bis zum 25. Mai entscheiden dann erneut die Internetnutzer über die Gewinner. Dazu wird auch die Verbreitung der jeweiligen Videos in Blogs und Foren untersucht und in die Bewertung mit einbezogen. „Heutzutage ist jeder Zuschauer auch Produzent – und bei uns dementsprechend auch Teil der Jury“, sagt Markus Hündgen, Geschäftsführer des Veranstalters EWVA. Damit bei diesem Format aber nicht bloß bekannte Namen eine Chance haben, vergibt die Jury in jeder Kategorie noch eine zusätzliche Wildcard.

Der Deutsche Webvideopreis wird am 25. Mai in Düsseldorf verliehen und natürlich live auf YouTube übertragen. Hier unser Bericht aus dem vergangenen Jahr.

 

Porträt einer Inuit-Familie

Die Inuit auf Grönland leben mit von und mit ihrer Tradition. Doch die Tradition bröckelt im wahrsten Sinne des Wortes: Immer dünner werdendes Eis zwingt die Inuit zu neuen Jagdmethoden, und lässt sie gleichzeitig die Zukunft ihrer Kinder in dieser unwirklichen Landschaft hinterfragen. Tolles, nachdenkliches Porträt von Glen Milner und Ben Hilton.

(hier auf Vimeo)

 

Konzert in 360°: Becks „Sound and Vision“

Beck

Während Webvideo und Livestreams immer wichtiger werden, versuchen auch Musiker und Veranstalter neue Formate und Blickwinkel zu finden, um Konzerte angemessen auf den Bildschirm zu übertragen. Jack White etwa hat vergangenes Frühjahr ein Konzert gegeben, das unter der Regie von Gary Oldman live ins Netz gestreamt wurde. Einen anderen Ansatz, der die Zuschauer am Bildschirm noch näher ins das Geschehen einbezieht, verfolgt Beck.

Vergangene Woche gab der Sänger eine Coverversion des David Bowie Klassikers Sound and Vision zum Besten, die auf YouTube (s.u.) inzwischen auch schon rund 345.000 Abrufe hat. Wie versprochen, liefert der Musiker jetzt eine aufwändige, interaktive 360°-Version der zehnminütigen Performance nach. Auf der Website haben die Besucher die Möglichkeit, von jedem Platz im Raum auf die Bühne in der Mitte des Raumes zu blicken, auf der Beck steht. Das 160-köpfige Begleitorchester ist an den Seiten hinter dem Publikum untergebracht.

Spannend ist, dass per Webcam (wer eine hat) die Kopfbewegungen der Zuschauer verfolgt werden können: wer den Kopf leicht nach rechts oder links bewegt, verändert damit auch seinen Blickwinkel im Raum. Man kann sich also buchstäblich im virtuellen Konzertsaal umdrehen, was sich wiederum auch auf den Sound auswirkt, der dann natürlich jeweils aus einer anderen Richtung kommt. Das Ganze ist nicht vollständig ausgereift, funktioniert aber insgesamt recht gut und ist eine spannende Herangehensweise an die Übertragung von Konzerten (und anderen Liveinhalten) im Netz.

Wie Wired berichtet, war die Aufnahme allerdings alles andere als leicht für Aufnahmeleiter Chris Milk. Er erfand dafür sogar eine eigene Technik, um die binaurale Aufnahme aus jeder Position im Raum gewährleisten zu können.

Hinweis: Die SD-Version des Projekts ist qualitativ wirklich nicht allzu gut, die HD-Version dauerte dagegen fast zwanzig Minuten zum Laden bei meiner Verbindung. Aber es lohnt sich.

 

Belle & Sebastian Doku von Pitchfork

Das Album If You’re Feeling Sinister aus dem Jahr 1996 gilt als eines der Besten der britischen Indie-Pop-Band Belle & Sebastian, und heute gemeinhin als Klassiker des Genres. Das Online-Musikmagazin Pitchfork hat deshalb unlängst eine einstündige Dokumentation produziert, die hinter die Entstehungsgeschichte der Platte blickt.

 

Kurzfilme auf zwei Rädern

Eigentlich wäre dieser Beitrag auch in unserem Fahrradblog gut aufgehoben, aber am Ende dreht es sich beim VELOBerlin Film Award dann aber doch um Filme. Auch, wenn sie alle mehr oder weniger den Drahtesel in den Mittelpunkt stellen. Bis zum 22. März kann man noch für seine Favoriten abstimmen. In der Auswahl befinden sich einige sehr schöne Arbeiten. Etwa der Kanadier Guillaume Blanchet, der buchstäblich auf seinem Rad lebt:

Oder die Geschichte eines 81-jährigen Rikscha-Fahrers in Indonesien:

Und Marion Pfaus erklärt die drei Stufen des Fahrradbesitzes. Berliner wissen Bescheid.

 

Musik am Montag: Foals

Schmissige Nummer von der neuen Foals Platte Holy Fire und ein schönes Video obendrein. Wollen doch mal sehen, ob wir diese Rubrik nicht regelmäßig bringen können.

 

Mehr von den Oscars: „Adam and Dog“

Die Geschichte von Adam and Dog ist schnell erzählt: Der erste Hund im Paradies trifft auf Adam, den ersten Menschen. Schnell entwickelt sich eine Freundschaft zwischen beiden, doch dann tritt Eva auf den Plan und wenig später folgt die Verbannung aus dem Garten Eden. Minkyu Lees Animationsfilm ist ein Anwärter auf den Oscar in der Kategorie animierter Kurzfilm.

adamanddogEs ist nicht die erste Nominierung für den 27-jährigen Koreaner. Er arbeitete für Disney an den Animationsfilmen Küss den Frosch und Ralph reicht’s mit. Adam and Dog ist nun komplett in Eigenregie entstanden. Bereits 2009 begann Lee mit der Produktion. Unterstützung bekam er im Verlauf von befreundeten Animationsfilmern aus dem Hause Disney, DreamWorks und Pixar. Am Ende investierte Lee fast 20.000 US-Dollar in die Fertigstellung des Films. Und das ohne Sponsoren, ohne Crowdfunding, ohne Vertrieb – alles aus eigener Tasche.

Adam and Dog besticht durch seine tollen, abwechselnden Hintergründe, die das komplette Farb- und Gefühlsspektrum der Protagonisten abdecken. Graue Hintergründe mit schroff gezeichneten Linien  treffen auf bunte, weiche Farbtupfer, die wie Aquarelle wirken. Jede Szene ist eine neue Leinwand, jeder Moment ein eigenes, wohlüberlegtes Kunstwerk. Man erkennt die Leidenschaft, die Minkyu Lee in sein Herzensprojekt gesteckt hat.

Darüber hinaus bricht der Regisseur mit gängigen Stilmitteln. Adam and Dog enthält etwa kaum Musik, sondern entwickelt seine Atmosphäre einzig über die Bilder und Hintergrundgeräusche, über leises Grillenzirpen, Regenprasseln und Windrauschen. Mit knapp 15 Minuten ist der Film zudem verhältnismäßig lang für eine Geschichte, die problemlos auch in einem Drittel der Zeit erzählt wäre. Doch Lee nimmt sich diese Zeit. Und er tut gut daran: Adam and Dog ist ein wunderbar unaufgeregter Kurzfilm, dessen Schönheit sich mit jeder Minute mehr entfaltet.

Update: Der Film wurde inzwischen von den Machern depubliziert. Wieso?