Lesezeichen
 

Netzfilm der Woche: „Breaking Bad Jr.“

Heisenberg in Montur
Heisenberg in Montur

Das Warten hat ein Ende. Am heutigen Sonntagabend geht Breaking Bad in die letzte Runde. Noch einmal acht Folgen der erfolgreichen US-Serie wird es geben (in Deutschland ab dem 13.8. auf Sky oder 14.8. auf Watchever zu sehen). Acht Folgen, die über das Schicksal des ehemaligen Chemielehrers Walter White und seines Partners-in-Crime Jesse Pinkman entscheiden. Wird Walters Siegeszug als Drogenbaron Heisenberg weitergehen? Oder folgt am Ende doch der Fall des (Anti)helden?

Nicht nur über das Ende der Serie wird auf Seiten wie Betting Bad und YouTube diskutiert und abgestimmt. In den vergangenen Wochen bereiteten sich die Fans mit zahlreichen Videos und Aktionen auf das große Finale vor. Mit Lego-Remixen etwa, mit knackigen Zusammenfassungen, Fan-Adaptionen, Cover-Versionen, Dokus und Memes und Gifs zollten sie ihrer Lieblingsserie Tribut. Die Musical-Version einer Mittelstufe hat es in nur wenigen Tagen auf mehr als eine Million Abrufe gebracht.

Die vielleicht beste – und nicht ganz spoilerfreie – Hommage kommt ebenfalls von einem Schüler: Ian Hollowood, der die Serie eigentlich nicht mal legal sehen dürfte. Doch seine Eltern nehmen es nicht so eng. Im Gegenteil, für Breaking Bad Jr. haben sie ihrem Sprössling vollste Unterstützung gewährt.

So führt uns Breaking Bad Jr. in den Sumpf der Midwest Middle School. Aufgrund akuter Diabetes-Diagnosen wird die Einfuhr von Süßigkeiten streng reguliert. Nur ein Schüler widersetzt sich und produziert mit seinem Kumpel heimlich den derbsten Kaugummi der Stadt. Das Geschäft boomt – doch auf jeder Schultoilette lauern Petzen.

Für die Umsetzung von Breaking Bad Jr. sorgten die New Yorker Filmemacher Patrick Willems und Mike F. Die Liebe zum Detail ist ebenso umwerfend wie die Darbietung der jungen Hobbyschauspieler. Spätestens als die Figur des Gustavo Fring in Form eines jugendlichen Süßwarenverkäufers auf den Plan tritt, ist die Parodie perfekt.

 

Netzfilm der Woche: „Voice Over“

Was haben ein gestrandeter Astronaut, ein Soldat im Ersten Weltkrieg und ein Fischer in der Gegenwart gemeinsam? Alles, wenn es nach dem Regisseur Martín Rosete geht. Sie sind nämlich die Protagonisten seines Kurzfilms Voice Over, der bereits auf über 100 Festivals lief und dabei knapp 60 Preise und eine Nominierung für die diesjährigen spanischen Academy Awards einheimsen konnte.

Und das völlig zu Recht. Angetrieben von einem mysteriösen Erzähler springt Voice Over von einem Schauplatz zum nächsten, und die könnten unterschiedlicher nicht sein: Die karge Wüstenlandschaft des fremden Planeten, die bedrohliche Stimmung an der Kriegsfront und der Überlebenskampf des Fischers unter Wasser machen den Film in seinen zehn Minuten zu einem bildgewaltigen Erlebnis, getoppt einzig von der Erzählung: Alle drei Szenarien verstärken sich in ihrer Dringlichkeit, bauen aufeinander auf und steuern auf einen Höhepunkt hin.

Doch zu welchem?

„Ich werde Euch nicht sagen, wessen Stimme uns durch diese extremen Situationen führt“, heißt es auf der Website des Films. Und wir werden es an dieser Stelle auch nicht tun. Das nämlich würde das ebenso unerwartete wie ergreifende Ende von Voice Over vorwegnehmen. Es sei nur so viel verraten: Wir alle kennen ihn und das Gefühl, das er beschreibt.

 

Netzfilm der Woche: „The Pixel Painter“

Hal Lasko hat ein besonderes Hobby. Der 97-jährige, den alle nur Grandpa nennen, malt Bilder. Nicht irgendwelche, sondern digitale Bilder mit Microsofts Software Paint. Stundenlang sitzt Lasko vor dem Bildschirm und erweckt seine Ideen Pixel für Pixel zum Leben. In seiner Kurzdokumentation The Pixel Painter begleitet der Filmemacher Josh Bogdan den Künstler bei der Vorbereitung seiner ersten Ausstellung.

Während des Zweiten Weltkrieg zeichnete Lasko unter anderem Wetterkarten, später arbeitete er als Typograf und entwarf unter anderem Schriftzüge für Firmen wie Goodyear. Seit seiner Pensionierung in den siebziger Jahren machte es ihm eine chronische Augenkrankheit zunehmend schwer, klassische Bilder zu malen.

Sein Sohn schlug im vor etwa 15 Jahren vor, MS Paint zu benutzen. Mit Hilfe des Programms konnte Lasko erstmals die Bilder so stark vergrößern, dass er auch mit seiner Sehbehinderung daran arbeiten konnte. Seitdem schiebt er fast täglich und mit viel Geduld Pixel hin und her. Bis zu zwei Jahren sitzt er an einigen Werken. Die stellen laut Lasko eine „Kollision aus Pointillismus und 8-Bit-Art dar“ – und sind durchaus sehenswert. Wie auch The Pixel Painter, das ein wundervolles Porträt eines Mannes und seiner Leidenschaft ist.

 

Netzfilm der Woche: „Fear of Flying“

Pompöse 3D-Effekte reißen im Jahr 2013 niemanden mehr vom Hocker, die großäugigen Fantasiefiguren im Pixar-Stil geraten langsam aus der Mode. Wer also einen Animationsfilm entwirft, muss mehr vorweisen als Effekte und eine ansprechende Erzählung. Eine ganz eigene Handschrift. Das heißt in diesem Genre immer öfters: die kreative Kombination verschiedener Techniken.

„Animationskunst eignet sich so hervorragend zum Experimentieren, dass es eine Schande wäre, es nicht zu tun“, sagt der irische Animationskünstler Conor Finnegan. Schon in seiner Abschlussarbeit vor einigen Jahren verband er Stop-Motion mit 2-D-Animation. Für seinen neuen Kurzfilm Fear of Flying hat er sich für eine Kombination aus Puppenspiel und anschließender 2-D- und 3-D-Animation entschieden.

Dreharbeiten (© Conor Finnegan)
Dreh (© Conor Finnegan)

Fear of Flying erzählt von Dougal, einem Vogel, der von Absturz-Albträumen geplagt wird und daher lieber läuft statt zu fliegen. Das ist im Sommer kein Problem. Im Winter dagegen schon: Denn während seine Kollegen gen Süden abhauen, muss Dougal den irischen Winter ertragen und sich mit fiesen Nagetieren auseinandersetzen. Glücklicherweise findet er dann doch noch rechtzeitig eine – ebenso simple wie unerwartete – Lösung für sein Problem.

Für seinen Kurzfilm hat Finnegan erstmals mit einem größeren, internationalen Team gearbeitet: Die Kostüme kamen von einer australischen Designerin, die Schnäbel designte ein Animationsfilmer aus Südafrika, die Synchronisation fand in Deutschland statt, ein irisches Studio steuerte den Soundtrack bei.

Die Arbeit hat sich gelohnt. Nicht nur hat Finnegan mit Fear of Flying langsam seine eigene Animationshandschrift gefunden. Er konnte mit seiner liebevollen Geschichte auch die Jury diverser Festivals, etwa des LA Shorts Fest, überzeugen.

 

Netzfilm der Woche: „Ten Thousand Days“

Wann sterbe ich? Die Frage beschäftigt viele Menschen, die Antwort kennt keiner – bis auf die männlichen Erben des Duncan-Clans. Seit Generationen werden sie jeweils an ihrem 10.000 Lebenstag auf mysteriöse Weise dahingerafft. Erschlagen von Flugzeugmüll, zu Tode gepickt durch Elstern oder aufgelöst in Säure. Ein schöner Abgang ist es nie. Und die armen Angehörigen erst! Gerade hat die hübsche Arabella ihren Gatten Bruce beerdigt, da steht plötzlich der nächste Duncan vor der Tür: Mit Arabellas Hilfe möchte Cousin Darby seine letzten Tage noch einmal genießen: Voller Liebe, Leben und Leidenschaft.

Die Geschichte eines Mannes, der auf dem Weg zum sicheren Tod noch einmal aus den Vollen schöpfen möchte, klingt irgendwie vertraut. Doch so leicht macht es sich Ten Thousand Days, eine neuseeländische Produktion von Michael Duignan, nicht. Denn spätestens als es mit Darbys Tod am 10.000 Tag nicht so recht klappen will, dreht sich das Spiel. Hat er etwa während seiner Reisen einmal zu oft die Datumsgrenze überquert und sich verzählt? Und wird die arme Arabella den Cousin nun wieder los?

Vielleicht ist es die absurde Ausgangssituation, vielleicht die Westernmusik oder die überspitzten Effekte, die Ten Thousand Days ein wenig an Filme wie Tarantinos Kill Bill erinnern lassen. Mit 17 Minuten hat er eine stattliche Länge für einen Online-Kurzfilm. Doch der trockene, schwarze Humor und amüsante Plot-Twists machen ihn zu einem kurzweiligen Erlebnis.

 

Netzfilm der Woche: „Cargo“

Die Zombies gehen um. Gerade kämpft Brad Pitt im Kinofilm World War Z als Familienvater gegen die Zombie-Epidemie und rennt, was das Zeug hält, ums Überleben. Astreines Katastrophenkino. Wieder mal. „Der Zombie erweist sich als ausgesprochen anschlussfähig,“ schreibt Andreas Busche dazu.

Dementsprechend machen die Zombies auch vor dem Kurzfilm-Genre nicht Halt. Beinahe wöchentlich taucht ein neues Untoten-Filmchen im Netz auf. Vielleicht, weil die schlurfenden Horden weder teure Animationskunst noch aufwändige Requisiten verlangen? Make-up ins Gesicht, ein paar zerschlissene Klamotten drübergeworfen – das reicht.

Cargo von Yolanda Ramke und Ben Howling reiht sich hier nahtlos ein. Der Kurzfilm erzählt die Geschichte eines Vaters (na klar), der mit seiner Säugling-Tochter (Kinder gehen immer) plötzlich in eine Zombie-Falle gerät (Wieso? Egal! Zombies!) und sich und das Baby in Sicherheit bringen muss. Dazu gibt es fauchende, beißwütige Miesepeter, Blut und Kopfschüsse. Alles wie gehabt?

Nicht ganz. Trotz der bekannten Zutaten ist Cargo kein gewöhnlicher Zombie-Film. Ohne Dialoge und mit geradezu ätherischer Musik unterlegt, rückt Cargo statt des Metzelns von Zombiehorden den Aspekt des Überlebens in den Vordergrund. Denn als der Vater erkennt, dass er nach einem Biss selbst zum Zombie mutiert, setzt er alles daran, dass seine Tochter in Sicherheit gelangt – vor allem vor ihm.

Cargo bietet deshalb etwas Ungewöhnliches: Eine Identifikation der Zuschauer mit dem Zombie. Anstelle des traditionell emotions- und gesichtlosen Monsters begegnen wir zum Schluss einem tragischen Helden. Es ist ein simpler Kniff, mit dem Cargo zeigt, wie sich mit einfachen Mitteln doch noch etwas Neues aus dem Genre herausholen lässt.

 

Netzfilm der Woche: „Magnesium“

Isabel ist jung, gut aussehend, eine talentierte Turnerin und – schwanger. Ausgerechnet vor der wichtigen Qualifikation für die Europameisterschaften droht ihr großer Traum zu platzen. Für Isabel kommt nur eine Abtreibung infrage. Doch ihr Arzt sagt, dass sie fünf Tage Bedenkzeit abwarten muss, bevor er den Eingriff durchführen kann. Für Isabel beginnt ein Kampf mit sich selbst.

Magnesium ist ein niederländischer Studentenfilm von Sam de Jong, der in diesem Jahr bereits auf mehreren renommierten Festivals lief. Es geht um eine ambitionierte Sportlerin, die wie viele junge Talente ihre Gesundheit dem Erfolg unterordnet; ein Umfeld, dass Zahlen, Weiten, Punkte kennt, aber keine körperliche Schwäche duldet; eine Familie, die vor lauter Bewunderung für ihre Tochter die Signale nicht erkennt.

Nicht nur in dieser Hinsicht erinnert der Kurzfilm an Darren Aronofskys oscarnominierten Thriller Black Swan, in dessen Fokus die Psyche einer ambitionierten Balletttänzerin steht. Auch stilistisch ähneln sich die Filme: Magnesium wurde ebenfalls auf einer Super-16-Kamera gefilmt, was dem Film die typisch analoge Körnigkeit verleiht. Gleichzeitig setzen die Macher fast ausschließlich Handaufnahmen ein. Die verwackelten Bilder und die extreme Nähe der Kamera zur Protagonistin wirken zunächst irritierend, fast Übelkeit verursachend.

Doch das Stilmittel funktioniert grandios: Die unstetige Kamera reflektiert den Gemütszustand von Isabel, den inneren Konflikt, der sich langsam aufbaut und schließlich buchstäblich mit einem Knall entlädt. Am Ende stellt Magnesium mehr denn je die Frage, was eigentlich Erfolg bedeutet – und was wir alles dafür zu tun bereit sind.

 

Netzfilm der Woche: „SIMPLYclever“

Wir schreiben die Zeit nach der Wende. Der Ort: tief im Osten, genauer in Sachsen. Hier lebt Günther und verbringt den langen Tag in seiner Werkstatt zwischen Kippen, Dosenbier, Mopedschrauben und Fernsehgucken. Als Günther einen Bericht über den jüngsten Trend Freeskiing sieht, packt ihn die Abenteuerlust. Mit seinem Kumpel Hindrich besorgt er sich ein Paar DDR-Skier und motzt sie auf. Als sich die beiden damit auf die Piste stürzen, erkennen sie: mit der ostdeutschen Qualität ist es vielleicht doch nicht so weit her.

SIMPLYclever von Franz Müller und Johannes Kürschner, zwei Absolventen der Hochschule Mittweida, entstand im vergangenen Jahr. Im Kern ist der Kurzfilm eine Parodie auf die Ostalgie, die vor allem ihr trockener Humor auszeichnet. Im breitesten Sächsisch diskutieren Günther und Hindrich über das beste Motoröl für ihre Simson, welches Kombinat die geeigneten Produkte lieferte, und wie man an die geilen Trainingsanzüge der Wessis kommt. Viel passiert in den acht Minuten nicht. Muss es auch gar nicht. SIMPLYclever lebt von den hintersinnig debilen Dialogen seiner Protagonisten.

Deren Skurrilität wird noch verstärkt durch Untertitel in überkorrektem Hochdeutsch. Erst vor wenigen Wochen gewann SIMPLYclever den „herzblut.award“ beim diesjährigen Backup Festival in Weimar. Ebenfalls zu empfehlen sind die Outtakes.

(gefunden hier)