David Eaves ist einer der Initiatoren des internationalen OpenData Hackathons. Am morgigen Samstag werden weltweit in über 30 Städten von Programmierern und Designern öffentliche Datensätze zugänglicher gemacht und in neue Formen gebracht. Der kanadische Politikwissenschaftler spricht im Interview über die Idee des Hackday und wie die Lage von OpenData in Kanada ist.
Herr Eaves, auf welche Ergebnisse des internationalen Open Data Hackathons hoffen Sie?
David Eaves: Für den Hackathon gibt es zwei Gründe. Der erste ist, Gemeinschaften zu schaffen. Jede Stadt hat OpenData Fürsprecher und Entwickler, die die Gesellschaft verbessern wollen. Der Tag soll sie zusammenbringen. Und zweitens sollen in Städten, in denen noch kein OpenData verfügbar ist, solche Gemeinschaften entstehen.
Ein weiterer Grund ist: Es geht darum, Politiker und Verwaltungsangestellte zu ermutigen, sich anzuschauen, was passiert. Um zu sehen, was weltweit vor sich geht und warum das alles aufregend und ermutigend ist.
Meine Befürchtung ist, dass wir nur zusammenkommen, um miteinander zu sprechen. Doch wir müssen Dinge gestalten. Wenn wir Anwendungen bauen, wird deutlich, was wir wollen. Die Leute werden sehen: Diese Anwendungen sind nützlich, hilfreich und interessant. Davon brauchen wir mehr. So werden wir Regierungen dazu bringen, ihre Datensätze mit uns zu teilen.
Wie kam es zu der Idee des Hackathon?
Eaves: Wir haben zwar eine Art OpenData Szene in Kanada. Doch ist es schwierig, sich oft zu sehen. Es ist ein großes Land – Reisen ist teuer. Dazu kommen die zwei Sprachen. Aber in jeder Stadt gibt es eine kleine OpenData Community und die beginnen sich untereinander auszutauschen. Es gab den Vorschlag, einen gemeinsamen Hackday zu machen; es gab ein wirkliches Bedürfnis danach in Kanada. Und daraus entsprang die Idee, das international zu machen – so kam es schließlich zu dem internationalen Hackday.
Wie ist der Stand in Sachen OpenData in Kanada?
Eaves: Das Thema bewegt sich vor allem in den Städten voran. Wir haben sechs oder sieben Städte, die OpenData Kataloge eingerichtet haben. Es begann in Vancouver; dazu gesellten sich Edmonton, Toronto, Ottawa, Calgary und Städte wie Montreal.
Warum waren die Stadtpolitiker dazu bereit?
Eaves: Es gibt ein Reihe verschiedener Modelle, wie es geschah. Ich zum Beispiel berate den Bürgermeister von Vancouver. Seine Mitarbeiter fragten mich und einige andere, was im Bereich von Technologie möglich wäre, um Leute einzubinden. Ich sagte, sie sollten es mit OpenData versuchen, um die Bürgerbeteiligung zu steigern. Und so sagte der Bürgermeister: Lasst es uns tun. Er setzte das in der Stadt durch. Und es war nicht so, dass es großes Verlangen danach gegeben hätte. Als es dann aber losging, waren viele begeistert. Es war aber ein klarer top-down Ansatz.
In Ottawa dagegen gibt es eine engagierte OpenData Szene. Die hatte begonnen, die Datensätze der Stadt von deren Website auszulesen – zu scrapen – und Anwendungen zu bauen. Die Stadtverwaltung leistete anfangs Widerstand. Doch die Szene scrapte mehr oder minder alle verfügbaren Daten und die Stadt gab letztlich einfach auf.
Und in Edmonton schließlich war es die Stadtverwaltung selbst, die das in die Hand nahm.
Worin liegt die Gemeinsamkeit dieser unterschiedlichen Ansätze?
Eaves: In jeder Stadt geht es immer um Partizipation. Und mit OpenData erreicht man eine bestimmte Gruppe von Leuten: Meist junge Leute, die – ehrlich gesagt – zuvor mit Kommunalpolitik wenig zu tun hatten.
Andere erwarten aber auch, dass OpenData ökonomische Effekte haben wird. Wahr ist, dass die Kommunen in Kanada immer unterfinanziert sind. Wenn sie einen Bereich entdecken, mit dem sie ihre Besitzstände effektiver nutzen können, um mehr und bessere Dienstleistungen zu bieten, sagen sie schlicht: Wir sollten es machen. Sie sind sehr daran interessiert, neue Möglichkeiten auszuprobieren.
Wie sieht es landesweit aus?
Eaves: In den Provinzen, die den deutschen Bundesländern ähneln, passiert derzeit nicht viel. Auf Staatsebene haben zumindest die Gespräche begonnen. Die Informationstechnologieverantwortliche (CIO) der Regierung würde wohl gerne einen Datenkatalog starten.
Wann sind die nächsten Wahlen?
Eaves: In drei Jahre. Allerdings haben wir eine recht instabile Minderheitenregierung. Es könnte also jederzeit Neuwahlen geben. Die Liberalen in der Opposition haben vor etwa zwei Monaten eine sehr weitgehende OpenGovernment Initiative formuliert. Es wird also deutlich, dass auf der Ebene der Parteien Leute über das Thema nachdenken
Rund um OpenData scheint derzeit alles sehr schnell zu gehen. Wie ist Ihr Eindruck?
Eaves: Das ist alles relativ. In England geht es wirklich sehr schnell vorwärts. Man möchte fast weinen, wenn man das sieht: Die sind in ihrer Denke darüber so progressiv. Und ist es ist die konservative Partei, die dort so fortschrittlich ist!
Warum sind Großbritannien und die USA in diesem Bereich so weit vorne?
Eaves: Die Amerikaner haben schon immer verlangt, dass ihre Regierung Vorgänge offen legt. Alles, was die veröffentlicht ist dort de facto „public domain“ – gemeinfrei. Das ist wichtiger Bestandteil der politischen Kultur in den USA. Wir in Kanada haben dies dergestalt nicht; wir sind eher elitär ausgerichtet, ähnlich der Gesellschaften in Europa.
Entgegen der USA ist in Großbritannien das Vorpreschen in Sachen OpenData teilweise durch die Finanzkrise bedingt. Die Konservativen betrachten das Thema unter dem Aspekt von Haushaltsfragen.
Wie kommen Sie darauf?
Eaves: Die monatliche Veröffentlichung jeder Ausgabe eines Ministeriums über 25.000 Pfund signalisiert folgendes: Sie möchten, dass die Leute darauf achten. Sie möchten, dass die Beamten wegen jedem Penny, den sie ausgeben, nervös werden. Und sie möchten, dass die Öffentlichkeit darauf achtet und so letztlich Vergeudung reduziert wird.
Ist es also eine Art Outsourcing?
Eaves: Genau. Die britische Regierung sieht es als Chance für Bürokratieabbau. Oder um die Verwaltung wenigstens effizienter zu gestalten. Wir werden sehen. Ich denke, es könnte genau das Gegenteil passieren.
Der zweite Aspekt hinsichtlich England ist: Sie haben Tim Berners-Lee. Wir sollte nie unterschätzen, welchen Einfluss jemand mit einer enormen Glaubwürdigkeit hat. Zuerst hieß im Vereinigten Königreich – nein, wir machen das nicht. Dann kam der Mensch, der das Web erfunden hat und sagte: Das ist aber genau das, was ihr tun solltet. Und obendrein ist er noch ein „Sir“.