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Britischer Kriminalitätsatlas in der Kritik

 

Die britische Polizei veröffentlicht seit Dienstag ihre Kriminalitätsstatistiken in Open-Data-Formaten, die auch über eine Schnittstelle abgefragt werden können. Das dazu gehörende Portal www.police.uk brach kurz darauf unter dem Ansturm zusammen. Offenbar wollte jedermann wissen, wie kriminell es in seiner Nachbarschaft zugeht. Bis zu 300.000 Anfragen pro Minute habe es geben, hieß es. Das konnte die Infrastruktur wohl nicht verkraften. Mittlerweile ist die Karte allerdings wieder nutzbar.

Die Darstellung von Kriminalität in dieser Form ist umstritten, da sie nach Meinung von Kritikern zu Panikmache sowie zu Stigmatisierung von Regionen führen könne. Eine Diskussion über interaktive Kriminalitätskarten gibt es seit 2009, als eine Crime Map für Los Angeles veröffentlicht wurde.

Die britische Innenministerin Theresa May ließ gestern verlauten: „Wir wollen, dass die Menschen sehen können, welche Verbrechen in ihrer Straße geschehen. Und dass sie die Möglichkeit haben, ihrer lokalen Polizeidienststelle ihre Bedenken mitzuteilen. Und sie damit zu konfrontieren, wie mit der Problematik umgegangen wird.“

Die 300.000 Pfund teure Website sei erst der Anfang, sagte May. Die Regierung wolle die Arbeit fortsetzen und noch mehr Transparenz in die Bereiche Kriminalität, Polizeiarbeit und Justiz bringen. Die Kriminalitätskarte ist Teil der Open-Government-Initiative der konservativ-liberalen Regierung in Großbritannien.

Zwar gab es auch bisher schon für einige Landesteile das Angebot CrimeMapper, doch liefert das längst nicht so detailierte Daten. Jetzt kann nach Postleitzahlen, Orten oder gar Straßen gesucht werden. Dabei ist der britische Postcode sehr viel feiner als der deutsche, er umfasst jeweils nur einige Häuser, nicht ganze Straßenzüge. Aus Datenschutzgründen werden die Taten daher nur „nahe“ dem Ort angezeigt, an dem sie begangen wurden.

Die Straftaten sind in sechs Kategorien abrufbar: Einbrüche, antisoziales Verhalten, Diebstahl/Raub, Verkehrsverstöße, Gewalttaten und sonstige Straftaten. Wobei die Kategoerie antisoziales Verhalten Vorfälle wie Schlägereien oder Vandalismus enthält. Sie vor allem war es, die bei den Briten für Aufregung sorgte, konnten sie der Statistik nun doch entnehmen, dass es davon im Dezember landesweit mehr als 200.000 gab, im Durchschnitt also 6500 am Tag.

Die Daten dazu stammen von allen Polizeistationen in England und Wales. Es sind alle von ihnen registrierten, also angezeigten Straftaten, nicht jene, in denen auch ermittelt wurde. Für manche Vorfälle werden sogar die Aufnahmen aus der Kameraüberwachung (CCTV) gezeigt, oder es wird gar auf Twitter-Feeds von Polizisten verwiesen. Zusätzlich gibt es kostenlose Apps für Mobiltelefone.

Laut Guardian experimentieren sechs Polizeieinheiten mit weiteren Anwendungsoptionen. Etwa mit der Bereitstellung täglicher Daten – derzeit werden die Informationen monatlich erneuert. Oder mit Informationen darüber, ob nach Straftat auch ein Täter überführt wurde.

Das ist einer der Kritikpunkte: Die Karte sei nutzlos, hieß es in einem Blog der britischen Tageszeitung Telegraph. Denn weder gebe es aktuelle Informationen, noch Datum und Uhrzeit des jeweiligen Vorfalls, und es lasse sich auch nicht erfahren, wie der Stand der Ermittlungen sei.

Auch wurde bemängelt, dass die Markierung auf der Karte für Verwirrung sorge. Vorfälle in einer Straße werden nicht nach Hausnummern aufgelöst, sondern an einem Punkt in der Mitte der Straße angezeigt. So solle der Datenschutz gewährleistet werden, hieß es seitens der Polizei. Ob das jedem Nutzer klar ist, und ob er die Anzeige nicht doch auf das Haus an der Stelle bezieht, ist fraglich.

Dadurch, dass die Polizeikarte eine Schnittstelle (API) zu den Datensätzen anbietet, können beispielsweise Immobiliendienstleister die Informationen automatisch auswerten. Ratingagenturen wie die deutsche Schufa vergeben ihr Scoring, die Bewertung, auch aufgrund des Wohnortes. In Deutschland ist das verpönt und gilt als Diskriminierung. Die britische Politik jedoch setzt bei Open Data explizit auf die wirtschaftliche Nutzung maschinenlesbarer Datensätze.

Der Kriminalitätsatlas der britischen Polizei verdeutlich daher die Problematik von Open Data. Ein Datensatz ist für sich allein nicht unbedingt aussagekräftig. Dafür ist beispielsweise die Kategorisierung in nur sechs Arten von Kriminalität viel zu indifferent. Doch kann er verknüpft mit anderen Daten erhebliche Aussagekraft gewinnen. Hier den richtigen Mittelweg zu finden, ist schwierig.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Polizei nur Exekutive ist, also nicht Recht spricht. Dass Polizisten dabei durchaus subjektiv verfahren, ist bekannt. Auch hierzulande geraten durch rassistische Stereotypen bestimmte Bevölkerungsgruppen mehr als andere in den Fokus von Strafverfolgung. Und die schwammige Definition von „anti-sozialem Verhalten“ (ASB) sorgt in Großbritannien schon länger für Kontroversen.

Insofern wäre eine Karte wie die der britischen Polizei nutzbringender, wenn sie nur Straftaten abbildete, bei denen tatsächlich ein Verfahren eröffnet wurde. Der jeweilige Fall sollte durch eine individuelle Identifikationsnummer dann auch nachvollzogen werden können. Damit wäre sie einerseits ein besseres Rechercheinstrument, andererseits ließe sie sich weniger leicht für Stimmungsmache missbrauchen.