Die Netzpolitik sei noch immer „ein weitgehend weißer Fleck in der deutschen Parteienlandschaft“, findet die CSU und will daher bei diesem Thema „eine Vorreiterrolle“ übernehmen. Ausgerechnet die, könnte der überraschte Beobachter denken, ist die Partei bislang doch eher damit aufgefallen, das Netz als Bedrohung zu sehen.
Das soll sich offensichtlich ändern. Am heutigen Montag veranstaltet die CSU einen „Netzkongress“ und zuvor zirkulierte bereits ein Positionspapier namens „Für Freiheit und Fairness“ des neu gegründeten „Netzrates“ mit überraschendem Inhalt.
Das Erstaunliche: der „Beitrag zur Meinungsfindung“ weicht von der bisherigen Position der CDU/CSU-Fraktion ab: In dem Papier werden die so genannten Netzsperren als untaugliches Instrument bezeichnet (S. 16f.) und die CSU schließt sich darin der Position der außerparlamentarischen netzpolitischen Szene an und fordert nun: Löschen statt sperren.
Ebenso unerwartet: Ein Abschnitt des Diskussionspapiers widmet sich dem Komplex Open Government und Open Data (S. 15) und fordert richtigerweise, „Verwaltungsinformationen sollen strukturiert online verfügbar gemacht werden“.
So positiv es zu bewerten ist, dass zum ersten Mal eine Regierungspartei dem Thema Open Government ausführlich Anerkennung zollt, bei genauerem Hinsehen offenbart sich eine etwas andere Stoßrichtung. Offenes Regierungshandeln wird von der CSU primär als Instrument der Verwaltungsmodernisierung betrachtet. Es geht ihr nicht um die Möglichkeit, damit mehr politische Teilhabe zu installieren.
Sichtbar wird diese Haltung in einer Formulierung, die den „Bürger zur Ressource“ degradiert. Dort ist von einer „Stärkung des Ehrenamtes“ die Rede, doch heißt das nichts weniger als einen Abbau und eine „Verschlankung“ der Verwaltung, in dem sie durch unbezahlte Arbeit des Bürgers ersetzt wird. Diese Verschränkung von „Amtsstube und Wohnzimmer“ betreibt mit dem gleichen Plan auch die konservativ-liberale Regierung in Großbritannien.
Viel hat der Bürger davon nicht. Gut, er kommt in den Genuss vereinfachter Verwaltungsabläufe. Doch sollte mehr Transparenz nicht auch mehr Teilhabe bedeuten?
Die CSU dient sich hier offensichtlich an, weil das Thema angesagt ist. Doch steht sie nicht dahinter. Denn wie offen eine Regierung sein soll, bleibt nach Meinung der CSU doch bitte in der Entscheidungsgewalt der Parteien. Diese Sichtweise macht auch das folgende Detail deutlich: So wird in dem CSU-Papier zwar Transparenz beschworen, aber über die Stärkung des Informationsfreiheitsgesetzes kein Wort verloren. Kein Wunder: Dabei wäre es nötig, denn zwar gibt es ein solches Gesetz auf Bundesebene und in den meisten Bundesländern. Bayern aber gehört nicht dazu, dort sind Informationen nicht frei. Plötzlich aber sollen es die Daten sein?
Es steht zu befürchten, dass auch die neue Haltung zu Netzsperren nicht so gemeint ist, wie Kritiker des Verfahrens sich das wünschen würden. Immerhin ist die Ablehnung der Sperren diametral entgegengesetzt zur Meinung des Bundeskriminalamtes, dem man bei der CSU bisher nicht unbedingt oft ins Wort fiel. Im Netz zumindest wird der Partei und ihrem Chef Horst Seehofer keine allzu große Kompetenz bei den Themen zugetraut, auch wenn er seine für Montag angekündigte Rede mit dem Titel „Mein Internet“ überschrieben hat.