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„Offene Daten können uns unsere Gesellschaft erklären“

 

ton zijlstra

Ton Zijlstra leitet seit März das Team rund um die ePSI-Plattform. Die Abkürzung steht für „European Public Sector Information“. Finanziert wird das Vorhaben von der Europäischen Kommission. Seit 2005 gilt in der EU die PSI-Directive, die eine „Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors“ regelt. In Deutschland schlägt sie sich im Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) nieder.

Im Interview spricht Zijlstra, ein selbständiger Unternehmer und Berater aus den Niederlanden, über die europäische Dimension offener Daten und die anstehende Reform der PSI-Gesetzgebung.

Herr Zijlstra, was ist die Aufgabe der ePSI-Plattform?

Ton Zijlstra: Sie ist in der EU die erste Anlaufstelle für alle Neuigkeiten, wenn es um öffentliche Informationen und offene Daten geht. Die Kommission will mit dieser Plattform zeigen, was europaweit in diesem Bereich alles geschieht. ePSI ist aber auch eine wichtige Informationsquelle für die Kommission selbst. Ich war ein paar Mal in Luxemburg bei Treffen, und dort kamen immer wieder Themen zur Sprache, die auf der Plattform zuvor behandelt wurden.

Was haben Sie mit ihr in den kommenden zwei Jahren vor?

Zijlstra: Bislang finden sich auf der Website nur Nachrichten und Berichte. Menschen findet man dort nicht. Wenn wir Open Data vorantreiben wollen, müssen wir auch Menschen miteinander verbinden, damit die sich zusammentun können. Wir wollen daher in der Zukunft viel häufiger aktiv andere Veranstaltungen besuchen und sie auch unterstützen. Vor allem in Mitgliedsstaaten, in denen noch nicht so viel passiert. Wenn es uns zum Beispiel möglich ist, einer Gruppe in Bulgarien mit etwas Geld bei der Umsetzung einer Veranstaltung zu helfen, dann tun wir das.

Ziel ist es, die Dynamik zu fördern, die derzeit herrscht. Open Data soll ein unumkehrbares Prinzip werden. Im Moment könnten alle Mitgliedsstaaten noch zurück.

Was meinen Sie damit?

Zijlstra: In den Niederlanden beispielsweise wurde wegen Wikileaks diskutiert, ob das Informationsfreiheitsgesetz nicht eingeschränkt werden sollte. Das zeigt, Regierungen könnten den bisherigen Kurs der Transparenz ändern, sie können die Daten wieder hinter Schloss und Riegel stecken.

Welche Rolle spielt die Politik bei dem Thema Open Data überhaupt?

Zijlstra: Es sind vor allem die Beamten, die etwas in Bewegung bringen. Aber Politiker sind natürlich sehr wichtig. Das zeigt sich zum Beispiel auch an der PSI-Direktive. Die wird in den kommenden Jahren überarbeitet werden – die Dinge, um die es dabei geht, sind politische Fragen: Bislang heißt es in ihr, Dokumente und Daten sollen so weit wie möglich öffentlich sein. Diese Direktive könnte nun um andere Bereiche erweitert werden, etwa um Themen wie Rundfunk oder um den Kulturbereich.

Außerdem könnte festgelegt werden, dass die öffentliche Nutzung der Daten nicht nur ein Recht ist, sondern auch eine Pflicht der Verwaltung wird. Was hieße, dass die Nutzung nicht mehr durch Gebühren eingeschränkt werden dürfte. Es jedoch auch vorstellbar, dass die Nutzung noch restriktiver geregelt wird. Das muss die Politik klären.

Was verspricht sich die Kommission davon, eine Plattform wie ePSI zu fördern?

Zijlstra: Wirtschaftliche Vorteile sind das bestimmende Thema. Es gab zu Beginn des Jahrtausends mehrere Studien, die das wirtschaftliche Potenzial öffentlicher Informationen in Europa auf viele Milliarden Euro schätzten.

Hat die Open-Data-Bewegung das Thema einfach für sich vereinnahmt?

Zijlstra: Innerhalb der EU-Verwaltung ist die Debatte alt, Gespräche um PSI haben dort schon vor 18 Jahren begonnen. Dabei aber ging es um die Verwendung der Informationen durch bestehende Strukturen, etwa durch Verlage und Firmen, die Gesetzestexte, Geo- und Wetterdaten nutzen. Inzwischen hat die Diskussion eine ganz neue Dimension bekommen, nun geht es um aktive Bürger, die neue Produkte und Dienstleistungen hervorbringen. Für die EU kam diese Open-Data-Bewegung überraschend.

Ich glaube auch, dass die althergebrachten Wiederverwender der Daten in den kommenden Jahren mehr Widerstand leisten werden. Denn sie sehen sich mit ihren Produkten einem Wettbewerb ausgesetzt, den es vorher nicht gab.

Was motiviert Sie, sich mit dem Thema zu beschäftigen, ist es der bürgerrechtliche Aspekt?

Zijlstra: Ich finde vor allem den Aufbau einer Community wichtig: Verbindungen schaffen, Aufklärung betreiben, Leute zusammenbringen, damit etwas passiert. Denn die Datensätze, die im Zusammenhang mit Open Data entstehen, können eine Quelle der Sinngebung für uns sein: Wir können unsere komplexer gewordene Gesellschaft besser deuten, wenn wir Zugang zu diesen Daten haben.

Foto: Ton Zijlstra