Wie reizvoll kann es sein, in etwas zu investieren, dessen Wert an jedem Tag um mindestens 30 Prozent schwankt? Etwas, das eine traumhafte Rendite ebenso wahrscheinlich macht wie einen furchtbaren Verlust? Offenbar extrem reizvoll. Der Handel mit der virtuellen Währung Bitcoin ist rege, allen Unvorhersehbarkeiten zum Trotz. Wie rege, zeigt die Karte auf fiatleak.com von Andrew Hodel.
Auf ihr wird der globale Handel mit Bitcoins in Echtzeit dargestellt, basierend auf den Daten von sieben Handelsbörsen: Wie viele US-Dollar, Euro, Jen oder Renminbi werden gerade in Bitcoin getauscht?
Bitcoins sind zwar anonym, aber jede einzelne von ihnen trägt einen eindeutigen Code, der Handel damit kann so jederzeit nachverfolgt werden. Handelsbörsen wie Mt.Gox und BTC-E bieten eine API an, über die sich das Handelsvolumen auslesen lässt. Darüber holt sich Hodel die Daten für seine Echtzeit-Karte.
Die verdeutlicht, wo am meisten mit Bitcoin spekuliert wird: in China und in den USA. Insbesondere die Chinesen würden mittlerweile wie wild in Bitcoin investieren, hat Hodel beobachtet.
Das Wall Street Journal schreibt, der Grund dafür sei die Möglichkeit, damit die Devisensperre zu umgehen. Über dem Umweg der Bitcoins könnten Chinesen ihre Renminbi in Dollar tauschen. Der Staat dulde das derzeit als eine Art Experiment, zitiert die Zeitung einen Wirtschaftsinformatiker.
Der Code für die Karte ist open source und bei GitHub einsehbar. Sie zeigt übrigens auch den jeweils aktuellen Wert von Bitcoin in den verschiedenen Währungen an. Nicht sichtbar ist das bisherige Allzeithoch von rund 900 US-Dollar pro Bitcoin, das am vergangenen Dienstag erreicht wurde. Der Spuk war allerdings auch schnell wieder vorbei – 30 Minuten später lag der Wert wieder bei unter 650 Dollar. Den Handel hat das offenbar nicht gebremst. Wer heute fiatleaks.com aufruft, kann beobachten, wie weltweit rund 10.000 Bitcoins in weniger als zwei Stunden gekauft werden.
Die US-Regierung hat den 1. Juni zum nationalen Hackertag erklärt. Die Idee ist gut, das Timing nicht.
Am National Day of Civic Hacking sollen Hacker, Entwickler und Unternehmer im ganzen Land dafür sorgen, dass die Open-Data-Schätze der Regierung gehoben werden können. Behörden wie das Arbeitsministerium, das Zensus-Büro und die Nasa wollen sogar eigene Hackerwettbewerbe ausschreiben.
Ziel sei es, „gemeinsam neue Wege zu finden, öffentliche Daten und öffentlichen Code zur Lösung von Problemen in unserer Nachbarschaft, unseren Städten, Staaten und unserem Land zu nutzen.“ Das Motto: „Krempelt die Ärmel hoch, macht mit und arbeitet zusammen daran, unsere Gesellschaft zu verbessern.“
Das klingt löblich, aber der Zeitpunkt der Ankündigung ist unglücklich. Das letzte, was US-Hacker derzeit wollen, ist, für eine Regierung zu arbeiten, die ihrer Ansicht nach mitschuldig ist am Suizid von Aaron Swartz. Der 26-Jährige hatte sich Zutritt zum Intranet des Massachusetts Institute of Technology (MIT) verschafft und aus der Datenbank JSTOR rund vier Millionen Artikel aus wissenschaftlichen Zeitschriften heruntergeladen. Swartz wurde entdeckt und 14 verschiedener Straftaten angeklagt, obwohl er keinen der Artikel veröffentlicht hatte. Der Prozess, in dem er zu 35 Jahren Haft und einer Million Dollar Strafe hätte verurteilt werden können, sollte im April beginnen.
Die Wissenschaftlerin Danah Boyd hat unmittelbar nach dem Tod von Swartz einen wütenden Blogpost veröffentlicht, in dem sie die Stimmung in der Szene auf den Punkt bringt: „Als die Regierung auf Aaron losging, behandelte sie ihn nicht wie jemanden, der möglicherweise etwas Dummes getan hat. Er war ein Exempel. Sie wollten ihm keine Lektion erteilen, sie wollten der gesamten Cambridge-Hackerszene zeigen, dass sie geschlagen („p0wned“) ist. Es war eine Drohung, die nichts mit Gerechtigkeit zu tun hatte, aber umso mehr mit dem großen Kampf um systemische Macht. Immer wieder haben Hacker den Status quo herausgefordert und die Legitimität zahlloser politischer Aktionen infrage gestellt. Ihre Mittel mögen fragwürdig gewesen sein, aber ihre Absichten waren legitim. Der Sinn einer funktionierenden Demokratie ist es, den Gebrauch und Missbrauch von Macht jederzeit zu hinterfragen, um das Entstehen von Tyrannei zu verhindern. In den vergangenen Jahren mussten wir mit ansehen, wie Hacker als Anti-Demokraten dämonisiert wurden, obwohl sich viele von ihnen als zeitgemäße Freiheitskämpfer bezeichnen würden.“
In den User-Kommentaren in Techblogs von The Verge bis TechCrunch spiegelt sich diese Wut wieder. „Ist das der offizielle ‚Vergesst, dass wir Aaron Swartz getötet haben‘-Tag?“, heißt es dort. Oder auch: „Wenn die Exekutive nun die Hacker umarmen will, sollte sie der Judikative zunächst mal sagen, dass sie mit der Verfolgung aufhören sollte.“
Statt zu versuchen, die Hackerszene mit einem Aktionstag einzuspannen, sollte die Regierung zunächst wohl besser für Frieden sorgen. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) schlägt vor, mit dem umstrittenen Gesetz Computer Fraud and Abuse Act (CFAA) anzufangen und es zu ändern. Das Gesetz kriminalisiere in seiner jetzigen Form den nicht autorisierten Zugriff auf Computersysteme und verlange drakonische Strafen selbst für letztlich gemeinnützige Aktionen ohne irgendwelche Opfer. „Brillante, talentierte, visionäre Menschen sollten ihre Zeit damit verbringen können, unsere Zukunft zu gestalten – nicht mit der Befürchtung, im Gefängnis zu versauern“, schreibt die EFF.
Der Tag, an dem das Gesetz entschärft wird, wäre ein echter Feiertag für die Hacker-Community in den USA.
Die Bahn ist nicht amüsiert. Der Programmierer Michael Kreil hatte sämtliche Fahrplandaten der Bahn von einer CD-ROM extrahiert und im September veröffentlicht, damit andere daraus eigene Anwendungen basteln können. Die Initiative heißt openPlanB, Untertitel „innovation without permission“ – Innovation ohne Erlaubnis. Nun stellt die Bahn klar: Das war illegal. Und im Wiederholungsfall behalte sich die Bahn vor, ihn zu verklagen. Immerhin, erst im Wiederholungsfall. Das Unternehmen wählt dafür die Form des offenen Briefs, also auch eine Art von Open Data.
Die Bahn befürchtet nach eigener Aussage Qualitätseinbußen, wenn jemand auf Basis dieser Daten eigene Anwendungen entwickelt und der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. „Fahrplandaten verändern sich spätestens mit jedem Fahrplanwechsel. Drittapplikationen, die mithilfe der von Ihnen rechtswidrig verbreiteten Daten entwickelt werden, veralten schnell und werden daher … jede Erwartung der Menschen … früher oder später enttäuschen“, heißt es im heute veröffentlichten Brief der Bahn.
Vor eineinhalb Wochen hatte das Unternehmen eine Kooperation mit Google vorgestellt. Der US-Konzern erhält exklusiven Zugriff auf die Fahrplandaten und integriert sie in seine Dienste Google Transit und Google Maps.
Da die Bahn ihren Fahrplan in der Regel jeweils im Dezember ändert, dürften die Daten von Kreil auch tatsächlich bald veraltet sein. Programmiert bis dahin aber jemand eine nützliche Anwendung mithilfe dieser Daten, wäre sein Projekt – neben PR in eigener Sache – vor allem eine Art proof of concept, ein Machbarkeitsnachweis. Es würde der Bahn zeigen, wie sinnvoll es wäre, ihre Fahrplandaten in einem offenen Datenformat und mit einer offenen Lizenz anzubieten.
Ob es aber jemand wagt, aus den offensichtlich unrechtmäßig erworbenen Daten eine App zu basteln, ist fraglich. Zwar hat Kreil die Daten unter einer Open Database License (ODbL) veröffentlicht. Aber die Bahn schreibt unmissverständlich: „Indem Sie jetzt die Fahrplandaten unter die ODbL gestellt haben, maßen Sie sich die Position des Rechteinhabers an, der Sie nicht sind.“ Und weiter: „Ihr Vorgehen versetzt zudem Drittentwickler in den falschen Glauben, sie dürften die Daten weiterverwerten: ‚Lizenznehmer‘, die über die Herkunft der Daten keine Kenntnis haben, verlassen sich auf die Erteilung einer angeblich wirksamen Lizenz gemäß Ziffer 3 der ODbL auch zur kommerziellen Verwertung, begehen aber tatsächlich selbst Rechtsverletzungen in erheblichem Ausmaß, wenn sie mit der Datenbank und dem Datenbankwerk arbeiten.“
Der Brief endet mit dem Satz: „Sie werden sicherlich Verständnis dafür haben, dass die Deutsche Bahn nach Ihrer illegalen Aktion im Rahmen von möglichen Open-Data-Initiativen auf Ihre Mitarbeit verzichten wird. Wir werden das Gespräch mit anderen Open-Data-Förderern suchen.“ Den letzten Satz kann man ja auch positiv sehen: Vielleicht werden die Bahndaten ja doch noch irgendwann für alle offen zugänglich.
Offen zugängliche Datenbanken können Probleme mit sich bringen. Zum Beispiel, wenn sie Namen und Polizeifotos von Festgenommenen, die sogenannten mugshots enthalten.
In den USA sind solche Informationen häufig öffentlich zugänglich, das Bundesgesetz Freedom of Information Act oder gesetzliche Regelungen in den einzelnen Bundesstaaten machen dies möglich. Auf ihrer Grundlage werden die Aufnahmen von den Strafverfolgungsbehörden ins Netz gestellt. Genutzt werden die Namen und Bilder dann zum Beispiel von Apps wie Offender Locator, die verurteilte Sexualstraftäter anzeigen, die sich in der Nachbarschaft befinden.
Einige Websites haben sich sogar darauf spezialisiert, die von den Behörden herausgegebenen Namen und Fotos automatisiert und gesammelt noch einmal zu veröffentlichen. Mugshots.com ist so eine Seite. Solche Angebote führen aber mitunter zu ernsthaften Problemen – für unschuldig festgesetzte Menschen.
So haben etwa die Open-Government-Gesetze von Florida zur Folge, dass prinzipiell alle mugshots veröffentlicht und dadurch von Anbietern wie mugshots.com gesammelt und archiviert werden können. Das passiert sehr schnell nach der Verhaftung und gilt auch für Fotos von Menschen, die sich später als unschuldig herausstellen. Mugshots.com sammelt die Bilder ein, noch bevor jemand vor Gericht gestellt wird.
Zwar verweist die Seite auf den Grundsatz, dass jeder solange als unschuldig gilt, bis seine Schuld bewiesen ist. Aber die mugshots werden nicht von der Seite gelöscht, wenn das Urteil gefallen ist. In der Datenbank befinden sich also Fotos von nachweislich Unschuldigen. Die Betreiber weisen einfach nur darauf hin, dass alle Daten von den Behörden kommen und nicht verändert oder ergänzt werden.
Wie das Unternehmen SafeShepherd nun festgestellt hat, muss ein Unschuldiger viel Geld bezahlen, wenn er sein Foto von der Seite entfernen lassen will. Dazu muss er einen Drittanbieter beauftragen, der die Löschung dann veranlasst.
SafeShepherd ist eine noch junge Firma, die sich auf diese Art von reputation management („Ruf-Reparatur“) spezialisiert hat. Im Auftrag ihrer Kunden recherchiert sie, welche Informationen über ihre Auftraggeber im Netz zu finden sind und kontaktiert gegebenenfalls die Seitenbetreiber, damit Informationen gelöscht werden, die dem Ruf des Kunden schaden könnten.
Im Fall von Mugshots.com fand Noah Sidman-Gale von SafeShepherd heraus, dass nur zwei Drittanbieter namens Unpublishmugshots.com und Unpublisharrest.com dafür sorgen, dass Namen und Fotos von mugshots.com entfernt werden. Diese Drittanbieter machen daraus ein Geschäft: Das Entfernen eines Datensatzes aus der Datenbank kostet stolze 399 US-Dollar.
Natürlich drängt sich der Eindruck auf, dass hinter Mugshots.com und den beiden anderen Firmen dieselben Macher stecken, die ein Geschäftsmodell entdeckt zu haben glauben. Auf Mugshots.com heißt es allerdings, die beiden Unternehmen seien „independently owned and operated vendors„, hätten also unabhängige Besitzer und Betreiber. Keine der Websites hält allerdings Informationen über ihre Betreiber bereit. ZEIT ONLINE hat Mugshots.com und Unpublishmugshots.com per Webformular kontaktiert und um ein Statement gebeten, eine Antwort steht noch aus. Unpublishmugshots.com hat inzwischen geantwortet und teilt mit, es gebe keine Verbindung zwischen den beiden Firmen, außer dass Unpublishmugshots.com ein anerkannter Anbieter zur Löschung von Daten auf mugshots.com und 47 ähnlichen Seiten sei. Man stelle außerdem das In-House-Call-Center für Anfragen zur Löschung von Daten bei Mugshots.com.
Mugshots.com ist nicht die einzige Seite ihrer Art. Eine Initiative, die eine Sammelklage gegen solche Anbieter auf den Weg bringen will, listet mehr als zwei Dutzend Mugshot-Seiten auf. In vielen Fällen, so heißt es bei der Initiative, betrage die Gebühr zum Entfernen eines Fotos zwischen 100 und 400 Dollar.
Ein erster Kongressabgeordneter namens Roger Bruce hat das Problem mittlerweile erkannt und fordert eine gesetzliche Regelung, mit denen die dauerhafte Veröffentlichung von Fotos unschuldiger Menschen gestoppt wird.
Ein Gutes aber hat der Service von Unpublishmugshots.com und Unpublisharrest.com: Wer zwei oder mehr Fotos von der Seite entfernen lassen will, bekommt Mengenrabatt.
Die Einwohnerzahl von Berlin ändert sich ständig. Jedes Jahr, wenn die neuen Zahlen veröffentlicht werden, setzt sich ein Wikipedia-Autor an den Eintrag über Berlin und aktualisiert ihn. Allerdings müsste die Zahl in jeder Ausgabe der Wikipedia von Hand geändert werden, von der englischen bis zur turkmenischen. Das soll anders werden, sagt Pavel Richter, Vorstand des Vereins Wikimedia Deutschland.
Ab dem 2. April wird ein Team aus zwölf Entwicklern in Berlin am Projekt Wikidata arbeiten. Es ist der offizielle Startschuss für ein Projekt, über das die Wikipedia-Community jahrelang diskutiert hat. „Wikidata ist die Wikipedia für Daten“, sagt Richter. Ziel ist, eine Datenbank aus strukturierten, frei zugänglichen Informationen zu schaffen, die jeder bearbeiten kann. Davon sollen auch die Wikipedia-Ausgaben in aller Welt profitieren.
Eines der ersten Ziele des Projektes ist es, die Daten in den Infoboxen von Wikipedia-Artikeln über Orte, Staaten oder Personen maschinenlesbar aufzubereiten. Denn so könnte die Datenbank alle Wikipedia-Ausgaben gleichzeitig füttern: Aktualisiert jemand die Einwohnerzahl von Berlin, wird diese Änderungen automatisch in allen Sprachausgaben sichtbar. Für die Editoren wäre das eine spürbare Erleichterung.
Doch Richter sagt, dass das Projekt seines Vereins auch anderen zugute kommen soll: „Wikidata stellt die Daten als Variablen zur Verfügung. Jeder, der sie haben möchte, kann sie für seine Zwecke einbinden.“ So ließen sich dynamische Listen erstellen, etwa der zehn größten Städte der Welt, die von einer Frau regiert werden, die älter ist als… Solche Abfragen könnten beliebig komplex sein, je nach Sinn und Zweck.
Auch Visualisierungen der Daten wären möglich. Das jedoch müssten andere übernehmen, es ist nicht Ziel und Aufgabe des Projektteams. Die zwölf Entwickler programmieren erst einmal nur die Datenbank – als Datenquelle, die ihrerseits sagt, woher die Rohdaten stammen.
Geplant sei, sagt Richter, das Projekt innerhalb eines Jahres in mehreren Modulen umzusetzen. Erste Ergebnisse sollen bereits im Juli oder August präsentiert werden. Schnell folgen müsste aber auch eine Schnittstelle, über die man neue Daten einspeisen kann.
Finanziert wird Wikidata durch Spenden. Wer die ersten namhaften Spender sind, will Wikimedia Deutschland am heutigen Freitag bekanntgeben. Zu den Großspendern gehören das Allen Institute for Artificial Intelligence, das die Hälfte des Gesamtbudgets von 1,3 Millionen Euro übernimmt, die Gordon and Betty Moore Foundation, die ein Viertel der Entwicklungskosten von Wikidata trägt, sowie Google, das ein weiteres Viertel der Kosten übernimmt.
Neben Geld braucht das Projekt aber noch eine andere Art von Spenden: Datenspenden. Eine leere Datenbank hilft niemandem. Richter sagt, man werde gezielt Institutionen ansprechen, die auf großen Datenbergen sitzen und sie fragen, ob sie diese der Allgemeinheit zur Verfügung stellen könnten.
Es wird also noch dauern, bis die Datenbank von Dritten genutzt werden kann. Für die Open-Data-Bewegung hierzulande ist es aber in jedem Fall ein gutes Zeichen, wenn sich ein so bekannter Verein wie Wikimedia Deutschland um die Förderung von freien Daten bemüht.
Für weitere Informationen lohnt sich ein Blick ins Metawiki zu zum Projekt Wikidata: Dort ist unter anderem ein früher Prototyp einer Benutzeroberfläche zu sehen.