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Sushi in Suhl

 

Haben Sie schon mal vom „Waffenschmied“ in Suhl gehört? Wenn ja, haben Sie wahrscheinlich in der DDR gelebt. Der „Waffenschmied“ war ein einmaliges Restaurant. Es war das einzige im Land, in dem man japanisches Essen und Sake bekam und von Geishas bedient wurde. Diese Geishas waren natürlich keine echten, sondern thüringische Servierfachkräfte, die in Kimonos gekleidet den Gästen Sushi und Sake servierten. Einen Platz im „Waffenschmied“ zu bekommen, war fast genauso schwierig wie eine Karte für die Semperoper in Dresden. Wer eine Reservierung ergattern konnte, durfte für ein paar Stunden auf eine Reise nach Fernost gehen. Roher Fisch auf Reis und Glasnudeln, dazu Erklärungen über die Kultur und Sitten Japans – eines Landes, das für die allermeisten DDR-Bürger noch weiter weg war als die Bundesrepublik hinter der Mauer.

Den „Waffenschmied“ gibt es nicht mehr. Dafür aber die Erinnerung daran – in den Köpfen vieler Gäste von damals und nun auch in einem Film. Sushi in Suhl von Regisseur Carsten Fiebeler wird in diesen Tagen in Chemnitz und Dresden auf Filmfestivals gezeigt. In der Hauptrolle des Kochs, Visionärs und Restaurantbetreibers Rolf Anschütz ist der Dresdner Schauspieler und Kabarettist Uwe Steimle zu sehen. Der hat jetzt ein Buch veröffentlicht mit dem Titel Meine Oma, Marx & Jesus Christus – Aus dem Leben eines Ostalgikers. Darin erzählt er Geschichten aus seinem Leben in der DDR, um, wie er sagt, die Erinnerung wachzuhalten. An den Intershop zum Beispiel, den Laden, in dem man mit Valuta und Forum-Schecks Waren aus dem Westen einkaufen konnte und in dem es so duftete, wie sich viele DDR-Bürger den Westen vorstellten.

Steimle geht es mit dem Buch darum, so sagt er, den ehemaligen DDR-Bürgern eine Art freundliches „Ach ja, das gab es ja damals auch“ zu bewahren – ohne dabei dieses untergegangene Land verklären zu wollen. Denn die Haltung, „in der DDR war manches nicht schlecht“, gehe ihm „tierisch auf die Nerven“. Zu den Dingen, an die man sich freundlich erinnern kann, gehört wohl auch der „Waffenschmied“ in Suhl. Der zeigte aber auch die Schwächen dieser DDR, an denen sie schließlich zu Grunde ging. Nach Fernost reisen konnte man da allenfalls in der Fantasie. In einem Gasthaus im Thüringer Wald.