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Ferien in Prora

 

In Prora auf der Insel Rügen steht ein riesiger, ziemlich hässlicher grauer Betonklotz. Der rund fünf Kilometer lange Bau zieht sich am Strand entlang, er ist mehrere Stockwerke hoch und steht heute größtenteils leer. Das Ding wurde von 1936 bis 1939 gebaut. Die Nazis beziehungsweise ihre Organisation für den organisierten Urlaub – „Kraft durch Freude“ (KdF) – schuf hier ein „Seebad der 20.000“, mit eigener Schiffsanlege-Stelle, großem Klubhaus für Parteiveranstaltungen etc. Die „20.000“, die hier Urlaub machen sollten, also der männliche Teil davon, wurde 1939 in einen Abenteuerurlaub der besonderen Art geschickt, nach Polen und später auch nach Frankreich, Norwegen, Russland und auf den Balkan. Der weibliche Teil blieb zu Hause und das Seebad blieb leer.

Mehr als 70 Jahre später scheint der Klotz nun doch seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt zu werden. In einem Teil des Gebäudes werden demnächst Ferien- und Eigentumswohnungen gebaut. Investoren aus Berlin und Binz wollen in Block II des Bauwerks etwa 30 Wohnungen errichten. Im nächsten Sommer sollen die ersten fertig sein.

Nun soll den Investoren hier nicht unterstellt werden, ein Projekt der Nazis fortsetzen zu wollen. Immerhin: Prora ist ein Ortsteil von Binz, und das Ostseebad erfreut sich bei Sommerfrischlern großer Beliebtheit. Da können ein paar zusätzliche Ferienwohnungen sicher nicht schaden. Und eine Jugendherberge gibt es im benachbarten Block V ja auch schon. Dennoch haben Ferien in diesem Objekt wohl ihren eigenen Reiz. Nicht nur wegen dessen Nazi-Vergangenheit, sondern auch, weil es in DDR-Zeiten der NVA als Kaserne diente, in der Unteroffiziere ausgebildet wurden. Da, wo ab dem nächsten Jahr vielleicht Sandburgen gebaut werden, robbten bis 1989 Rekruten über die Sturmbahn am Strand. Dass nach dem Zweiten Weltkrieg das Nazi-Seebad relativ problemlos zur Kaserne umgewidmet werden konnte, also in baulicher Hinsicht, sagt auch einiges über die Vorstellung der Nazi-Oberen im Dritten Reich aus, wie der Volksdeutsche Urlaub zu machen hatte. Kaserniert eben.

Um KdF-Urlaube zu verhindern, hat der Bund im Jahr 2004 beim Verkauf des Blocks den Käufern die schriftliche Zusicherung abverlangt, keine Nazis zu sein und das Objekt auch nicht an Rechtsextreme weiterzuverkaufen. Und auch die künftigen Eigentümer, so hat derzeitige Besitzer des Blocks II jüngst versichert, müssen solche Klauseln in Kaufverträgen unterzeichnen. Ob es in den Kaufverträgen auch Klauseln gibt, die NVA-Erinnerungsurlaube mit Drill und Sturmangriff untersagen, ist nicht bekannt. So mancher ehemalige Rekrut, der hier geschliffen wurde, hätte dagegen wohl nichts einzuwenden. Dass in diesem historisch durchaus als belastet anzusehenden Gebäudekomplex nur Menschen mit lupenreiner demokratischer Gesinnung Urlaub machen – das anzunehmen erscheint recht naiv. Da möchte man doch dem Binzer Bürgermeister Karsten Schneider zustimmen. Der meinte, man hätte das Ding wohl vor 20 Jahren besser abgerissen.