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Famos gegen Himmel und Erde

 

Kleingärten sind eigentlich kein richtiges Ost-West-Thema. Dr. Schrebers Saat, die einst von Leipzig aus über ganz Deutschland verstreut wurde, trieb ihre fruchtbaren Blüten deutschlandweit. Ostdeutsch allerdings ist die intensivere Nutzung der Gärten. Nach Angaben der Linksfraktion im Bundestag kommen in Westdeutschland auf 1000 Einwohner zwölf genutzte Kleingärten, im Osten sind es 36. Ebenso ostdeutsch wie die ausgedehnte Gartennutzung ist aber auch der aktuelle Schwund in diesem Bereich.

Grob gesagt gibt es genau zwei stramme Entwicklungen: Zum einen verschwinden die Gärten, weil die Pächter in den kleinen Städten wegsterben. Ganz besonders groß sind Leerstand und Aufgabe der Gärten in den Kleinstädten Sachsen-Anhalts und Thüringens. So klagen die Vereine in Zeitz, Stendal, Sangerhausen oder Greiz über Leerstand.

Dort aber, wo noch immer fleißig gebuddelt wird – vor allem in den größeren Städten, so auch in Berlin – geraten die Kleingärten wieder in das Visier von Bauwilligen.

Eigentlich dürfte der zweite Grund gar keiner sein, sollten doch die Schrebergärten genau diese Oasen sein, die eine verdichtende Stadt braucht. Plätze mit Grün, um tief durchzuatmen, um nackig mit Wasser rumzuspritzen und natürlich um Bier zu trinken. Da aber heutzutage in der S-Bahn Bier getrunken wird und die anderen beiden Sachen nicht mehr so wichtig sind, wackeln die Kleingärten in der Hauptstadt um so mehr.

In Berlin-Pankow nun passiert ein ganz besonderes Possenstück. Eine Kleingartenanlage an der Grenze zum Wedding soll verschwinden, ein Ost-Grundstück an der Ex-Mauer zum Westen. Zu allem Unglück heißt die Anlage auch noch Famos. „Dürfen die das?“ ist die Frage. Eigentlich natürlich nicht, weil das da im Grunde kein Bauland ist, aber aufgrund juristischer Spitzfindigkeiten wackeln die Lauben.

Ein wenig verkürzt könnte man sagen: „Weg mit den ostzonalen Pappkaten samt Frühbeet!“ und „Her mit dem Passivhaus im urbanen green territory!“, schließlich sind die Eigentumswohnungsbesitzer heute oft grüner und umweltbewusster als die grillwütigen Laubenpieper. Und wenn dann vielleicht noch der Investor verspricht, dass hier auch nur die Nutzung von Elektro-Cars und Ökostrom erlaubt ist, geht’s doch schon nicht mehr grüner. Oder?

PS.: Die Baugemeinschaft, die dem Pankower Komposthaufen den Platz streitig macht, heißt Himmel und Erde. Was für ein Name.