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Kein Glück in Magdeburg

 

Auch wenn es ein Allgemeinplatz ist, fange ich jetzt trotzdem ‚mal so an: Mitteldeutschland ist ausgesprochen gezeichnet von den Umbrüchen nach der Wende.

Damit aber diese höchst repräsentative Aussage nicht gleich alle in schlechte Laune versetzt, muss man ebenso prominent betonen: Deswegen ist aber zum Beispiel Sachsen-Anhalt nun kein trauriges Land. Die Leute sind – natürlich aufgrund ihrer jüngsten Erfahrungen – ganz einfach ein wenig skeptisch, wenn es darum geht, etwas zu bejubeln. Dabei allerdings, gibt es ein erstaunliches Phänomen: In Sachen Zuversicht hat Sachsen-Anhalt, das mitteldeutscheste aller miteldeutschen Länder, ein klares Nord-Süd-Gefälle. Ein wenig plastischer ausgedrückt heißt diese holprige Alltagsbeobachtung: Der Magdeburger sagt, wenn er eine Million geboten bekommt: „Lass mich in Ruhe, das is‘ doch Falschgeld?“ Der Hallenser dagegen: „Ne Million, wirklich? Na gib schon her, wenn bloß n Fünfer davon echt is‘, krieg ich wenigstens ’n Bier.“ – Ja, das ist jetzt eine Behauptung. Aber die lässt sich belegen:

Kürzlich wurde der Glücksatlas der Deutschen Post veröffentlicht. (Warum ausgerechnet die Deutsche Post diese Studie über die Unterschiede des Wohlbefindens der Deutschen finanziert hat, war nicht so schnell rauszukriegen.) Und dieser Glücksatlas wies für den deutschen Osten die geringsten Lebenszufriedenheitswerte aus. Deutschlandweit wurde die Studie gedruckt und in Radio und Fernsehen reportiert. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit allerdings hat das Ding im Osten bekommen. Ganze Seiten, Hintergründe, Umfragen und Interviews gab es.

In Magdeburg und Halle machten es die beiden örtlichen Fast-Monopolblätter ganz genauso: Sie präsentierten ihren Lesern Mehrspalter über dem Bruch im ersten Zeitungsbuch. In Magdeburg in der Volksstimme geschah das unter der Überschrift: „Wenig Glückspunkte für Sachsen-Anhalt“ und in der Mitteldeutschen Zeitung aus Halle mit der Schlagzeile „Glückslücke wird kleiner“. Nach Ansicht der Magdeburger Redakteure mussten gleich neben die Studie die folgenden traurigen Nachrichten auf die Seite: „Erste Liste 100 bedrohtester Arten“, „Ist das Handy Schuld am Gehirntumor?“ und „Betrunkener steckt mit Arm im WC fest“.

Die Mitteldeutsche Zeitung versuchte die Unlust der Ostdeutschen dagegen auf ein theoretisches Fundament zu stellen, erklärte die „Begrifflichkeit des Glücks“ und endete mit der Aufstellung der vier Säulen des „Bruttonationalglücks“. Und was machten die Magdeburger: Ein winzig kleiner Erklärungskasten sollte den Extrakt der Studie über das Glück in Sachsen-Anhalt wiedergeben. Er hatte die Überschrift: „Unzufrieden und ängstlich“.

Nun besagte die Studie in der Tat, dass die ostdeutschen, nach ihrem Glück befragt, weniger begeistert antworten. Allerdings heißt es in dieser Studie auch, dass in Bayern und in Niedersachsen die glücklichsten Deutschen wohnen. Dieser Fakt ist natürlich Quatsch, denn in Bayern wohnen ja auch die reichsten Deutschen und Geld macht doch – wissenschaftlich bestimmt auch schon oft belegt – nicht glücklich.

So richtig interessant ist dann allerdings auch folgender Unterschied in der Berichterstattung: Ganz offensichtlich waren die Redakteure aus Halle deutlich positiver an diesen Glücksreport herangegangen, vergaßen dabei aber nicht zu erwähnen, wie sich der gemessene Glückswert zusammensetzt und welches Gewicht dabei Beschäftigungszufriedenheit, Arbeitslosigkeit und soziale Nöte haben. Die Magdeburger dagegen erwähnten die Beschäftigungsnöte lediglich als einen von vielen glückshemmenden Aspekten.

Der Lichtblick zum Abschluss: „Frau kauft Renoir für sieben Dollar“ lautete dann noch eine Kurzmeldung der Magdeburger Volksstimme auf der gleichen Seite. Hier schien ein Redakteur Hoffnung geschöpft zu haben, dass manchmal die Kacke nicht ganz zu doll dampft.