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Ost-Produkte verlieren den DDR-Bonus

 

Einer meiner Freunde in Baden-Württemberg mag die „Schlager-Süßtafel“ eines sachsen-anhaltinischen Süßwaren-Herstellers. Kennengelernt hat er das Schokoladen-Rechteck bei einem seiner Besuche in Ostdeutschland. Denn in Baden-Württemberg gibt es diese Schokolade nicht. Oder besser: Er hat bislang noch kein Geschäft gefunden, wo es sie zu kaufen gibt.

Damit teilt die Süßtafel das Schicksal vieler sogenannter Ost-Produkte. Im Westen kennt sie kaum jemand. Das mag auch daran liegen, dass es sich bei diesen Erzeugnissen beziehungsweise Marken hauptsächlich um DDR-Produkte handelt – also Lebensmittel oder andere „Waren des täglichen Bedarfs“, die in der DDR erfunden und produziert wurden. Sie sind eigentlich nur den Menschen ein Begriff, die das Land erlebt haben. Und dass es diese Produkte bis heute zu kaufen gibt, hat sicher mit erfolgreichem Unternehmertum und der Markentreue ostdeutscher Kunden zu tun.

Doch nun das: Laut einer aktuellen Studie ist die Bekanntheit der Ost-Produkte bei den Verbrauchern gesunken. Nicht nur bei denen im Westen (weil die sie ja eh nicht kennen), sondern auch bei den Menschen in Ostdeutschland. Demnach, so lesen wir im Berliner Tagesspiegel, „kennen immer weniger Ostdeutsche die Marken Vita Cola, Wilthener Goldkrone, Mühlhäuser oder Nordhäuser Doppelkorn“. Zudem konstatiert die Studie ein „Jugendproblem“ bei vielen Ost-Produkten. Viele junge Leute im Osten können mit Eberswalder Würstchen nichts anfangen – abgesehen von denen in Eberswalde.

Was sagt uns diese Erkenntnis? Dass die DDR langsam, aber sicher im Vergessen versinkt. Ost-Produkte haben bei jungen Menschen, die im wiedervereinigten Deutschland geboren worden sind, keinen Bonus ihrer Herkunft oder einer verklärten Erinnerung an frühere Zeiten. Sie müssen sich mit den Waren aus dem Westen auf Augenhöhe messen und die Verbraucher überzeugen. Das ist gut so. Denn es gibt mittlerweile viele ostdeutsche Produkte – Kleidung, Lebensmittel, Computer-Software und andere – die nach 1990 im Osten entwickelt wurden und sich erfolgreich auf dem Markt in Deutschland und der Welt behaupten. Und die dafür keinen DDR-Bonus brauchten.

P.S. Bezüglich der eingangs erwähnten Schokolade muss hier noch angemerkt werden, dass das gleichnamige DDR-Produkt aus ziemlich wenig Schokolade und dafür aus ziemlich viel anderen Zutaten bestand, also zum Beispiel Fett, Kakaopulver und anderem. Damit war sie ein Beispiel für den zum Ende der DDR hin zunehmenden Mangel an Rohstoffen, der durch derlei Ersatzprodukte irgendwie kompensiert werden sollte. Heute ist der Schokolade-Anteil deutlich größer.