„Sogar Oma und Opa klauen Kupferkabel“ titelte die Berliner Zeitung in diesem Frühjahr auf ihren Lokalseiten. Die Überschrift war eigentlich irreführend und natürlich ausgesprochen populistisch: Es ging um das Problem der Bahn, dass sie an vielen Stellen Pannen hat, weil Diebe ihre Anlagen demontieren und die Beute im Altmetallhandel zu Geld machen. Unter den gefassten Tätern war auch ein Rentnerehepaar. Die beiden Alten transportierten die Kupferbeute in der Handtasche der Frau. Man kann sich vorstellen, welche Bedeutung dieser Täterfang für die Polizei hatte angesichts der Altmetall-Ausbeute, die in eine Handtasche passt.
Genau den Trend allerdings, den die Überschrift der Berliner Zeitung verkündet hatte, hat nun das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern anhand aktueller Statistiken ausgemacht: Die Zahl der Diebe im Pensionsalter wächst. Zumindest gilt das für den Nordosten, wie der Nordkurier aus Neubrandenburg berichtet. Unter der politisch noch einigermaßen korrekten Überschrift „Immer mehr Senioren in MV werden kriminell“ verkündet das Blatt eine alarmierende Statistik: Nach Angaben des LKA stieg die Zahl der Straftäter im Seniorenalter im vergangenen Jahr um 13 Prozent.
Bevor das Blatt in seiner Wochenendaufmachungsstory allerdings für Aufklärung sorgt, kann es sich natürlich nicht verkneifen, das Boulevard-Vokabular aus der Kiste zu holen und führt seinen Bericht mit dem Satz ein: „Hilfe, Oma und Opa klauen! … Altersgerechte Zellen sind in der Sicherungsverwahrung bereits eingeplant.“ Man denkt zunächst, dass einen der Nordkurier hier in den April schicken will, dann aber kommt noch ein Experte zu Wort, der sagt, dass die meisten straffälligen Senioren betrügen, klauen und Sachen demolieren, seltener aber prügeln oder beleidigen. Langsam merkt man also beim Lesen: ‚Oh, ein Experte, also ist dieser Beitrag ernst gemeint.‘
Was soll so eine Story, immerhin der Blatt-Aufmacher unter dem großen Schwibbogen-Foto zum 1. Advent? – Ja, Renter, die etwas anderes machen als Kaffee trinken, taugen immer für eine Schlagzeile. Aber so? Warum spendiert uns der Nordkurier nicht die Zusammenhänge, die Zahlen von der Altersarmut, von den sinkenden Renten, von der fehlenden weil unterfinanzierten sozialen Betreuung?
Die Karikatur von den kleptomanischen Großeltern soll offenbar die Leser locken. – Nun, da braucht die Zeitung sich nicht zu wundern, wenn sich „Oma und Opa“ den Groschen für das örtliche Revolverblatt sparen. Und froh sein kann der Verlag, wenn „Oma und Opa“ sich immerhin noch die Mühe machen, und das Ding klauen.