Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Dorfkonsum und „Bürgerkoffer“: Wir machen den Osten zum Paradies für West-Rentner

 

Die Gemeinde Steigerthal in Nordthüringen will ihren Dorfkonsum wiederbeleben. Der kleine Laden steht seit einiger Zeit leer, teilte die Stadt Nordhausen, zu der Steigerthal gehört, jüngst mit. Und Ortsteilbürgermeisterin Jutta-Karin Busch lockt Interessenten mit dem Käuferpotenzial im Ort: „Nicht alle Einwohner wollen oder können den Weg bis Nordhausen zum Einkaufen auf sich nehmen.“ Weil sie alt und nicht mehr so mobil sind, meint sie wohl damit.

Steigerthal wendet sich gegen einen Trend, der vielerorts in Deutschland zu beobachten ist. Die Abwanderung junger Menschen in urbane Zentren sorgt vor allem in ländlichen Gegenden für Einwohnerschwund. Es bleiben die Alten und weniger mobilen zurück. Nach den jungen Leuten wandern auch der Dorfladen, die Post, der Fleischer und der Bäcker ab, irgendwann macht auch die Kneipe zu.

Das ist kein spezifisch ostdeutsches Problem, aber vor allem eines des Ostens. Denn hier wächst der Altersdurchschnitt der Bevölkerung schneller als im Westen, vor allem wegen der Abwanderung. Und wenn die Kunden nicht mehr zu den Läden oder Ämtern fahren können, müssen diese eben zum Kunden kommen, lautet das Gebot der Stunde. Mobile Bäcker und Fleischer touren schon seit Längerem übers Land, und in einigen Regionen Sachsens folgt ihnen mittlerweile die Dame vom Amt – mit dem „Bürgerkoffer“ in der Hand. Dieses kleine mobile Rathaus besteht im Wesentlichen aus einem Notebook, einem Fingerabdruck-Scanner und noch anderen Gerätschaften, mit denen die Amtsmitarbeiterin Dokumente ausstellen und beglaubigen und Anträge bearbeiten kann. Den neuen Reisepass und gelbe Säcke bringt sie bei Bedarf auch noch mit. Wie man in der Sächsischen Zeitung jüngst lesen konnte, ist die Resonanz auf das Angebot gut. Eine Ausweitung des Projekts ist geplant, ist dazu aus dem Justizministerium zu hören.

Der kleine Dorfkonsum und das mobile Rathaus – das ist die Lösung für Ostdeutschland und seine schwache Wirtschaft. Mit solchen Angeboten kann sich der Osten ganz auf älteres Publikum (auch aus dem Westen) einstellen. Ein Rentnerparadies, in dem alles Notwendige bis an die Haustür gebracht wird. Dann ziehen irgendwann die begüterten Rentner aus München und Frankfurt am Main nicht mehr nur nach Weimar, weil man da vergleichsweise preiswert beim großen Goethe um die Ecke wohnen kann, sondern vielleicht auch nach Steigerthal in Thüringen und nach Radefeld in Sachsen. Und weil diese begüterte Kundschaft betreut und gepflegt werden möchte, gibt es auch Arbeitsplätze und Einkommen für junge Menschen im Osten. Also liebe Senioren aus Westdeutschland: Fassen Sie sich ein Herz und siedeln Sie um nach Ostdeutschland. Wir pflegen Sie!