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Kinderbetreuung: Die Mauer muss weg!

 

In der Debatte um den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz und den Ausbau der Kinderbetreuung geht es kaum mal um den Osten. Das ist falsch, auch wenn es verständlich ist. Im Westen mag dieses Problem schwerer wiegen, auch weil es wohl etwas neuartiger erscheint. Das bedeutet allerdings nicht, dass Eltern im Osten keine Probleme haben.

Darf Ostdeutschland in dieser Debatte übergangen werden, weil das DDR-Erbe dem Osten mehr Kindergärten beschert hat? In Wahrheit sind von den früheren Ost-Kindergärten gar nicht so viele übrig, wie man heute annimmt. Nach der Wende haben die Kommunen auch fleißig geschlossen. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist der in Ostdeutschland höhere Bedarf. Warum? Weil viele Ostdeutsche die Betreuung ihrer Kinder – auch aus der eigenen Erfahrung – für normal halten, weil die Erwerbsneigung von Frauen höher ist. Und aus noch anderen Gründen braucht der Osten mehr Plätze als der Westen, sogar noch mehr als er jetzt hat. Es gibt kaum einen Bereich, in dem deutsche Uneinheitlichkeit noch so stark und doch so undeutlich erscheint wie im Bereich der Kinderbetreuung.

Eine gedachte Mauer verstellt den Blick

Das notorische Bild von der Mauer in den Köpfen verstellt hier tatsächlich den Blick auf die Realität, und offiziell gehandelte Zahlen sagen wenig: Ab Mitte 2013 soll die Betreuungsquote bei unter drei Jahre alten Kindern im Westen bei etwa 37 Prozent liegen und im Osten bei etwa 51 Prozent. Tatsächlich liegt der Bedarf etwa in Dresden laut Elternbefragung – also eher die tatsächliche Nachfrage – bei 86 Prozent. Rund 74 Prozent sind es nach Schätzung der Stadt in Leipzig. Doch selbst wenn diese Quote hier demnächst erreicht würde, was unwahrscheinlich ist, wird die wahre Nachfrage nicht gedeckt. Die Zahl ist nur geschätzt. Doch mit der politisch debattierten Statistik darf und wird Leipzig die glänzende Übererfüllung des 51-Prozent-Plans melden.

Das erinnert an die Erfolgsmeldungen der DDR-Wirtschaft: Offiziell war immer alles in Butter. Und die Wahrheit lag auf dem Schwarzmarkt. Nicht anders ist es heute, wenn es um Krippenplätze etwa in Leipzig geht: Eltern bestechen, tricksen, handeln, um einen Platz zu ergattern. Von Wahlfreiheit kann keine Rede sein. Es werden in aller Eile Container-Kitas gebaut, um den Rechtsanspruch ab August erfüllen zu können.

Masse statt Klasse

Wo aber hört Betreuung auf, wo fängt Verwahrung an? Nach der neuen „Nationalen Untersuchung Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ (NUBBEK) ist die Qualität der deutschen Kindertageseinrichtungen unbefriedigend – vor allem im Osten. Bei einer ersten Präsentation monierte Studienleiter Wolfgang Tietze ein „im Durchschnitt nur mittelmäßiges Niveau“ der pädagogischen Arbeit. Derzeit gehe es vor allem um Quantität, dabei müsse „Qualität zum zentralen Thema“ werden. Auch mit Blick auf die Qualität der Betreuung ist laut Tietze die Anmeldung eines Kindes in einer Krippe „wie Lotto spielen“. Der Bericht soll im April veröffentlicht werden. Dass er bis dahin positiver klingen wird, ist kaum zu erwarten.

Tatsächlich ist das ein Desaster in einer Zeit, in der die Bedeutung frühkindlicher Bildung für spätere Erfolge in Schule und Ausbildung unter Experten schon längst nicht mehr strittig ist. Auch waren mehr als 20 Jahre genug Zeit, dass der Westen dem Osten mal zeigt, wie man aus angeblichen Kommando-Kitas kreative macht. Doch während es im Westen scheinbar noch immer eher darum geht, überhaupt Kita zu machen, scheinen ostdeutsche Eltern in der öffentlichen Debatte kaum betroffen zu sein. Probleme haben scheinbar nur westdeutsche Städte. Doch auch viele Kommunen im Osten werden den bald gültigen Rechtsanspruch noch nicht erfüllen können und dann sehr sichtbare Probleme mit verärgerten Eltern bekommen. Am 1. August wird die Mauer fallen.