Kürzlich haben einige ostdeutsche Ministerpräsidenten Danke gesagt. Danke für die Milliardentransfers aus dem Westen für den Aufbau Ost. Weit über 100 Milliarden Euro waren es seit Mitte der neunziger Jahre. Da kann man sich schon mal freuen und bedanken. Und so lobte denn Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, dass die finanzielle Kraftanstrengung der Deutschen dazu beigetragen habe, „dass die neuen Länder die Folgen von Sozialismus und Planwirtschaft hinter sich lassen konnten“. Ihr sächsischer Amtskollege Stanislaw Tillich ergänzte, ohne die Unterstützung durch den Solidarpakt „wäre die wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat Sachsen und den anderen neuen Ländern nicht so erfolgreich verlaufen“.
Einige Tage später hatten die ostdeutschen Regierungschefs dann allerdings schon wieder Grund, mahnend den Finger zu erheben. Die FDP hat nämlich – der Wahlkampf für die Bundestagswahl läuft langsam an – vorgeschlagen, den Solidarzuschlag abzuschaffen. Den bezahlt jeder Arbeitnehmer in West und Ost, und als er 1991 eingeführt wurde, war er tatsächlich dafür gedacht, die Folgen der deutschen Teilung in den neuen Ländern abzumildern. Nach einem Jahr war er damals wieder abgeschafft worden, aber nur für kurze Zeit, denn 1995 wurde die Abgabe wiederbelebt. Allerdings dienen die Einnahmen aus dieser Abgabe – heute sind es etwa 13 Milliarden Euro pro Jahr – schon lange nicht mehr ausdrücklich für den Aufbau Ost. Sie fließen in den allgemeinen Bundeshaushalt ein, und wie viel Geld dafür nun tatsächlich in den Osten fließt, weiß wohl nur der Bundesfinanzminister.
Doch immer wenn in den letzten Jahren die Rede auf den Soli kam, waren wieder die allfälligen Klagen aus dem Westen zu hören, nun reiche es langsam mit der Aufbauhilfe. Im Westen verrotten die Innenstädte, weil mit dem Soli im Osten immer neue Autobahnen gebaut werden, lautet der Tenor. Das stimmt so ja gar nicht, erklärt etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff. Die Einnahmen aus dem Soli würden auch für Infrastrukturprojekte im Westen verwendet.
Nun sind Forderungen nach Abschaffung des Soli gerade im Wahlkampf wohlfeil. Sie richten sich natürlich hauptsächlich an die zahlenmäßig größere Wählerschaft im Westen. Doch auch im Osten Deutschlands würde ein solcher Schritt wohl auf Zustimmung stoßen. Denn auch Ostdeutsche zahlen den Soli, und sie hätten sicher nichts dagegen, wenn die bisher vom Staat kassierten Soli-Euro auch in ihrem Portemonnaie bleiben würden. Dass der Zuschlag tatsächlich abgeschafft wird, darf aber als relativ unwahrscheinlich gelten. Denn es gibt – leider – die Regel: Einmal eingeführte Abgaben oder Steuern bleiben auf ewig bestehen, denn sie füllen die Säckel des Staates. Als Beispiel dient immer wieder gerne die zu Zeiten von Kaiser Wilhelm zwo eingeführte Sektsteuer, die zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte verwendet wurde. Die Flotte gibt es schon lange nicht mehr, die Steuer immer noch.
Wenn der Soli also nicht abgeschafft wird, sollte man ihn wenigstens umbenennen, schlug Haseloff im Interview mit der Zeitung Die Welt nun vor. Zum Beispiel in „Straßencent“, um den Bezug zu Infrastruktur-Projekten deutlicher herauszustellen. Das ist zwar nicht unbedingt im Sinne des Soli-Zahlers. Aber immerhin müssten die Ostdeutschen dann nicht mehr als Adressat für Unmut über diese Abgabe herhalten. Das würde vielleicht dem inneren Frieden des Landes ein wenig gut tun.