„Schön hier, rischtisch schick“ ist eigentlich alles, was man hören will, wenn man Gästen seine Stube präsentiert. Dabei ist man stolz auf das Alte, das man gerade „schön aufgearbeitet“ hat, poliert. Man will die Anerkennung, dass man ein gutes Plätzchen geschaffen hat. Dieses Bestreben ist eigentlich nicht auf die eigenen vier Wände reduziert, es ist das Gleiche, wenn man seine Straße herrichtet, sein Viertel, seinen Ort oder ein Fleckchen in seiner Region. In manchen Gegenden läuft das allerdings ein wenig anders, ganz besonders in Deutschlands Osten. Zumindest scheint es so.
Ein aktuelles Beispiel: Ein grüner Flecken in Sachsen-Anhalt soll nun weltweite Anerkennung bekommen, es ist eine Art Garten zum Her-Zeigen: die Karstlandschaft Südharz. Dieses Gebiet zwischen Stolberg im Nordwesten und Sangerhausen im Südosten, Wettelrode im Nordosten und Breitungen im Südwesten ist bereits Biosphärenreservat, kurz: ein schützenswürdiger Fleck.
Auf der Internet-Seite „Karstlandschaft Südharz“ hört sich das wie folgt an: „Den Besucher erwarten vielfältige Landschaften, geologische Raritäten und eine mannigfaltige Flora und Fauna.“ Um hier nun einen langzeitigen Schutz hinzubekommen und gleichzeitig weltweit Menschen anzulocken, die sich das ansehen sollen, um Unberührtheit zu sichern und um forschen und erhalten zu können, gibt es den Plan, die Karstlandschaft Südharz bei der UNESCO als Biosphärenreservat anerkennen zu lassen.
Für dieses Vorhaben müssten sich alle Anlieger einig sein. Aber sie sind es nicht.
Es tun sich folgende Fronten auf: Die Gemeinden Sangerhausen, Allstedt, Berga und Wallhausen sind dafür, und sogar der Landtag scheint komplett einig zu sein, dass von dieser Landschaft die Welt erfahren muss: Jeder soll sehen, dass Sachsen-Anhalt diese Landschaft bewahren will. Aber es gibt Querschläger und die sitzen in der Regionalvertretung: die Gemeinde Südharz will nicht.
Unions-Bürgermeister Ralf Rettig fürchtet nämlich um einen Plan, den die UNESCO und die zu erwartenden Gäste gar nicht gut finden würden: ein Gewerbegebiet in Rottleberode. (Rettig benutzt auch dafür den Namen „Park“, also „Gewerbepark“, was natürlich Blödsinn ist).
Mit solch einem Gewerbegebiet wäre der für das Reservat erforderliche Trinkwasserschutz kaum möglich. Also sagt Rettig „Nee!“. Er sieht sich dabei von seinen Gemeindevertretern unterstützt und er begründet das mit dem Totschlagsargument des Osten: Die Menschen müssten hier Arbeit finden und die Kinder dürften nicht gezwungen werden, in den Westen zur Arbeit zu fahren. Und darum will Rettig nicht die UNESCO-Anerkennung, sondern Straßen, Zäune, Beton und Abflusskanal.
Woher kommt das Verständnis, nicht die regionale Natur, Landschaft und Kultur als Verpflichtung zu betrachten, sondern Handel und Gewerbe und damit Händel, Absprachen und das Abwägen von Vergünstigungen? Mit dem Osten hat diese Ignoranz wohl wenig zu tun, eher mit dem Ausnutzen einer Angst, die in der Tat in der Nachwendezeit besonders im Osten gewachsen ist aufgrund der Umwälzungen verbunden mit Jobverlust und regionalen Entwicklungsdefiziten.
Die prominentesten Schlachtopfer der von Lokal- und Regionalpolitikern in der Nachwendezeit mit dem Arbeitsplatzargument begründeten Landschafts- und Kulturverluste sind die Orte Deumen, Mödnitz, Domsen, Grunau, Breunsdorf, Heuersdorf, Großgrimma, Werbelin, Altliebel, Haidemühl und Horno. Sie wurden abgebaggert. Und auch die mit Entwicklungsnotwendigkeiten begründete Waldschlösschenbrücke in Dresden oder der nutzlose, defizitäre und kaum mehr Beschäftigung schaffende Lausitzring sind genau solche „den Gegebenheiten geschuldeten Projekte“. Die Liste ist lang.
Die Rhön, das Wattenmeer, Rügen, die Schorfheide, der Spreewald oder die Schwäbische Alb folgen den Regeln der UNESCO und haben sich schick gemacht, vor allem für die Bewohner und auch für die Besucher, sie erarbeiten nachhaltige und umweltgerechte Landnutzungskonzepte, wollen regionales vermarkten und dabei auf „Nachhaltigkeit“ achten. Sie setzen auf Kultur- und Landschaftsgeschichte. Die Gemeinde Südharz setzt auf das Gestern.