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Unsere Heimat

 

Seit einiger Zeit sind für meine zwei Jahre alte Tochter Schlaf- und Beruhigungslieder wichtig. Also summe ich ihr, da es singend oft holpert, Melodien vor, die ich selbst noch aus Kindertagen kenne. Und weil ich ein nicht mehr so ganz junger Ossi bin, sind dabei auch Lieder, die heute etwas verdächtig wirken: Lieder aus dem DDR-Musikunterricht. Ja, auch so ein Pionierlied. Mein nur halb bewusstes musikalisches Gedächtnis hat damit offenbar kein Problem. Seine getragene Melodie ist ein gutes Schlaflied, und ehrlich: Es gefällt mir heute besser als damals. „Unsere Heimat“ heißt es. Wer es nicht kennt, sollte kurz reinhören. Der Text geht so:

Uns’re Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer,
Uns’re Heimat sind auch all die Bäume im Wald.
Uns’re Heimat ist das Gras auf der Wiese, Korn auf dem Feld
Und die Vögel in der Luft und die Tiere der Erde
Und die Fische im Fluss sind die Heimat.

Und wir lieben die Heimat, die schöne.
Und wir schützen sie, weil sie dem Volke gehört,
Weil sie unserem Volke gehört.

Zum Text später. Zuerst geht es ja nur um Töne, die besseres verdient hätten. Doch schon da habe ich mich gefragt, ob ich meine musikalisch noch wehrlose Tochter, damit behelligen darf. Dafür spricht wohl, dass das Lied nicht ganz anspruchslos ist und schon früher nur geübten Chören so richtig gelang. Frei also nach Helge Schneider und Max Hansen: Was können die Töne denn dafür, dass sie so gut sind?!

Doch was ist mit dem Text? Geht der noch? Darf ich ihn meiner Tochter vorsingen und ihr das Lied so nach und nach eintrichtern?

Laut Wikipedia geht es in dem Lied um das “Verständnis des Begriffs Heimat der Freien Deutschen Jugend” und “dessen Bedeutung innerhalb des Kommunismus und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus”. Das dürfte wohl etwas übertrieben sein. Wikipedia meint aber auch, das Lied sei 1974 entstanden, obwohl es vermutlich aus den 1950er-Jahren stammt. Und der Text, denke ich, hatte eher eine den DDR-Organisatoren genehme Vorstellung von Heimat und Natur als Volkseigentum im Sinn.

Lässt man diesen Kontext aber mal weg, erinnert er heute doch vor allem daran, dass wir nicht nur in Städten leben und dass Natur schützenswert ist. Wo wäre da das Problem? Weil fraglich ist, ob die Natur eines Landes einem Volk gehört oder sie nur darum schützenswert wäre? Und dann Volk und Heimat! Auch wenn ich selbst kein Problem damit habe: Ich weiß wohl, dass die Begriffe mehr Missbrauch erleben als alle Melodien der Welt. Nicht umsonst passt das Lied ja auch halb und ganz rechten Volkstümlern super in den Kram. Kürlich tauchte eine adaptierte Version im YouTube-Clip einer Demo gegen Moschee-Bauten in Berlin auf (findet man bei YouTube auch allein). Aber als zwingend erscheint mir ein Verständnis als DDR-Lied heute jedenfalls nicht mehr.

Sollte man solche Lieder also beschützen oder sogar rekultivieren? Man stelle sich nur vor, “Volk” durch “Menschen” oder “Schöpfung” zu ersetzen. Dann käme “Unsere Heimat” auch auf einem ländlichen Grünen-Parteitag oder in der Kirche ganz nett. Aber ok! Ich spinne mal nur ein bisschen… Vorsummen werde ich es meiner Kleinen aber weiter. Mit Singen klappt es ja doch nicht. Vielleicht fragt sie dann eines Tages ja doch mal, was das für ein Lied war. Das fände ich viel interessanter, als ihr erklären zu müssen, was aus aktuellen Luftnummern wie Lena kommt.