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Europa: Wahlen zweiter Ordnung, schlecht dokumentiert

 

9. Mai – Europatag. Vor knapp 60 Jahren legte Frankreichs Außenminister Robert Schumann an diesem Tag die Grundlage der Montanunion, der Urform der heutigen Europäischen Union. Vieles hat sich seit dem getan: Die EU sich erweitert und vertieft, in immer mehr Politikfeldern Kompetenzen erhalten, ist demokratischer geworden. Ausdruck dessen sind die nächsten „Europatage“ vom 4. bis zum 7. Juni, wenn Europas Bürger zum siebten Mal aufgerufen sind, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments direkt zu wählen.

Gleichwohl sind die Europawahlen auch Ausdruck der Probleme der EU (siehe dazu auch die bereits erschienenen Beiträge zu den Europawahlen auf Wahlen-nach-Zahlen): Die Bürger interessieren sich kaum dafür, entsprechend niedrig (und zunehmend niedriger!) fällt die Wahlbeteiligung aus, auch die Parteien widmen diesen Wahlen wenig Aufmerksamkeit: Christina Holtz-Bacha beschreibt den Europawahlkampf heute als „nur langweilig“ und „völlig ineffektiv“. Zumeist ist der Wahlkampf auch insofern daneben, dass weniger europäische Themen, sondern nationale Themen dominieren. Die Plakate der SPD sind ein gutes Beispiel dafür.

Konsens ist daher, die Europawahlen als „Nebenwahlen“, als „second-order national elections“ zu bezeichnen, wie es Karlheinz Reif und Hermann Schmitt schon 1980 getan haben: Medien, Wähler, Parteien – sie alle vernachlässigen die Europawahlen in einer immer wichtiger werdenden EU sträflich.

Peinlich ist aber, dass die EU selbst die Wahlen nicht ernst zu nehmen scheint. „Es gibt keine europäische Institution, die die amtlichen Europawahlergebnisse sammelt und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt“, sagt etwa Markus Tausendpfund vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung. Wer Ergebnisse der Europawahlen sucht, muss mühsam auf die Suche nach Sekundärquellen gehen – und stösst auf bemerkenswerte Dinge: „Erstens lassen sich immer wieder Unterschiede in den veröffentlichen Wahlergebnissen feststellen, und zweitens wird in den seltensten Fällen eine konkrete Quelle für die publizierten Daten genannt“, sagt Tausendpfund. So variiert beispielsweise der Prozentanteil der britischen Konservativen bei der Europawahl 1994 in der Fachliteratur zwischen 26,8 und 27,9 Prozent.
Um die offenkundig bestehenden Dokumentationsdefizite zu beseitigen haben Mannheimer Wissenschaftler die „Mannheimer Dokumentation der amtlichen Europawahlergebnisse 1979 bis 2004“ als Kompendium erstellt. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass Ähnliches bei Bundestagswahlen nötig wäre?

Literatur
» Daniela Braun, Markus Tausendpfund: Mannheimer Dokumentation der amtlichen Europawahlergebnisse 1979 bis 2004: Tabellen zu den amtlichen Europawahlergebnissen, Mannheim 2007 (download)
» Markus Tausendpfund, Daniela Braun: Die schwierige Suche nach Ergebnissen der Wahlen zum Europäischen Parlament: Ein neuer Datensatz für die Wahlen 1979 bis 2004. Zeitschrift für Parlamentsfragen 39 (2008), S. 84-93