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Ägypten und die Medien: Die Schlinge zieht sich zu

 

Die Lage ist dramatisch in Ägypten – vor allem für die Ägypter selbst, aber zunehmend gilt die Sorge auch der Arbeit der lokalen und ausländischen Journalisten. Berichte über Festnahmen häufen sich, manchmal für die Dauer von ein paar Stunden, manchmal offenbar auch bis auf Weiteres. Kollegen berichten von Drohungen durch Sicherheitskräfte und Armee. Und angeblich sollen erste Journalisten mit dubiosen Vorwürfen wie Aufstachelung zum Mord oder Unterstützung des Terrorismus belegt werden. Man kennt so etwas aus autoritären oder diktatorischen Regimen. Auch die ägyptische Junta scheint mit abweichenden Meinungen nicht souverän umgehen zu können.

Das spürt man sogar bis nach Deutschland. So erreichte mich (und vermutlich etliche weitere Kolleginnen und Kollegen) am Samstag, von der E-Mail-Adresse der Pressestelle der ägyptischen Botschaft in Berlin aus versendet, ein langes englischsprachiges Dokument des State Information Service direkt aus Kairo. Der SIS ist das dortige Informationsministerium.

In dieser E-Mail berichtet der SIS, er habe feststellen müssen, dass „die Berichterstattung in einigen Medien sich von den Prinzipien der Objektivität und Neutralität, so wie sie international üblich sind, entfernt hat, und zwar nach Maßgabe einer bestimmten politischen Agenda“. Die Folge sei „ein verzerrtes Bild“.

Für alle, die den Subtext nicht gleich kapieren, wird es im Folgenden deutlicher: „Ägypten ist verbittert darüber, dass einige westliche Medien, die den Muslimbrüdern zuneigen, es versäumen, Licht auf deren gewalttätige und terroristische Akte zu werfen…“. Im Übrigen versagten einige Medien dabei, „die Ereignisse des 30. Juni“ – gemeint ist die Vorgeschichte des Putsches gegen die Mursi-Regierung – „als Ausdruck des populären Willens zu beschreiben“.

Auch werde unterschlagen, dass die Muslimbrüder Unterstützung durch „Teile Al-Kaidas“ gesucht hätten, was auch immer das heißen mag.

Und so geht es noch eine ganze Weile weiter. Das Schreiben endet mit der höflichen Bitte, „akkurat“ und „neutral“ zu berichten.

Nun will ich nicht verhehlen, dass es möglicherweise Aspekte der ägyptischen Tragödie gibt, über die mehr und genauer berichtet werden sollte. (Was im Übrigen einfacher wäre, wenn Journalisten nicht festgenommen würden.) Ägypten ist ein komplexes Land; es besteht nicht nur aus Anhängern der Muslimbrüder und ihren Gegnern. Die Lager überlappen sich vielmehr, die Ägypter sind polarisiert wie lange nicht. Und es gibt in der Tat Unterstützer des Kurses, den das Militär eingeschlagen hat. Nicht jeder Beitrag oder Artikel geht darauf immer ein. Was allerdings vor allem daran liegt, dass in den vergangenen Tagen durch ein äußerst brutales Vorgehen der Sicherheitskräfte Hunderte Menschen ums Leben gekommen sind. Das steht derzeit im Vordergrund, und zwar aus journalistischer Sicht zu Recht.

Aber ich glaube, man tut dem SIS ohnehin kein Unrecht, wenn man behauptet: Besserer Journalismus ist nicht seine größte Sorge. Hier geht es eher darum, dass eine Junta sich als Opfer einer internationalen Medienverschwörung sieht: Journalisten als Akteure mit heimlicher Agenda! Und es geht darum, dass die Militärs nicht dabei beobachtet werden wollen, wie sie gegen die Muslimbrüder und andere Gruppen vorgehen. Journalisten stören da nur. Also bitte: Wer was wissen will, rufe beim Informationsministerium an. Darum hat man es ja!

Das Schreiben zeigt, wie die Schlinge der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit sich in Ägypten gerade ein weiteres Stück zuzieht. Und das ist schlimm.

Nach meinen Recherchen dürfte dieses Schreiben an die Pressestellen vieler ägyptischer Auslandsvertretungen gegangen sein, mit der Bitte, es jeweils an die Pressekontakte im Land zu verschicken. Ich könnte mir vorstellen, dass nicht alle Botschaftsmitarbeiter damit einverstanden sind, aber die Pressestellen sind nun mal dem SIS unterstellt.

Das Signal ist jedenfalls angekommen. Höflich im Ton, aber nicht schwer zu dechiffrieren.