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Al-Kaida kündigt englisches Onlinemagazin an

 

Das Terrornetzwerk Al-Kaida hat immer den Wert von Propaganda genutzt; schon in den Achtzigern brachten Kuriere VHS-Videokassetten aus Afghanistan in die arabischen Golfstaaten, um potenzielle Spender dort von den Heldentaten der Gotteskrieger im Kampf gegen die Sowjet-Armee zu überzeugen. Von Osama bin Laden stammt der bekannte Ausspruch, für Al-Kaida sei ein Radiosender wichtiger als eine Atombombe; und in dem Maße, in dem sich seit Mitte der neunziger Jahre das Internet verbreitet hat, hat Al-Kaida auch diesen Verbreitungsweg für sich genutzt. In den letzten zehn Jahren ist Al-Kaida dabei auch noch immer globaler aufgetreten, die Propaganda wird seither längst nicht mehr nur wie einst auf Arabisch verbreitet. Stattdessen sind englische Untertitel nahezu Standard, und selbst nachgereichte Übersetzungen in Sprachen wie Urdu, Swaheli oder Französisch keine Seltenheit mehr.

An diesem Wochenende nun hat die Al-Kaida-Zentrale einen nächsten Schritt angekündigt: In einem etwas über eine Minute langen Promo-Video bereitet Al-Kaidas offizielle Medienabteilung „al-Sahab“ ihre weltweiten Sympathisanten auf die bevorstehende Erstpublikation eines englischsprachigen Onlinemagazins namens Resurgence („Wiederaufleben“) vor. Der Clip selbst ist nicht besonders bemerkenswert. Über den Inhalt und die Macher von Resurgence erfährt man nichts.

Allerdings kann man getrost davon ausgehen, dass Resurgence sich an Inspire orientieren wird. Inspire, gestartet 2010, war der erste Versuch, Al-Kaida-Sympathisanten ein englischsprachiges Onlinemagazin an die Hand zu geben. Produziert wurde es damals von dem US-Bürger Samir Khan, der sich in den Jemen abgesetzt hatte und später getötet wurde. Inspire war anfangs kein offizielles Magazin der Al-Kaida-Filiale auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), entwickelte sich aber rasch dazu, nicht zuletzt, weil AQAP-Führungspersonen dort gerne als Interviewpartner auftauchten und englische Versionen der Original-Bekennerschreiben abgedruckt wurden.

Das allein hätte keinen Paradigmenwechsel bedeutet. Inspires wahre Bedeutung ergab sich aber aus einer anderen Entwicklung: Das Magazin war der erste Ort, von dem aus die nunmehr offizielle Al-Kaida-Linie ausgegeben wurde, dass willige Rekruten aus dem Westen nicht länger die lange Reise zu Al-Kaida auf sich nehmen sollten, sondern lieber vor Ort, da, wo sie eben leben, selbst aktiv werden sollen – gerne im Namen Al-Kaidas, selbst wenn es keine Verbindung und keinen Kontakt zu der Terrorgruppe gab. Inspire lieferte dazu auch das Know-how in Form von Bombenbauanleitungen (Wie man in der Küche seiner Mutter eine Bombe baut) und Anschlagsideen (Waldbrände auslösen; Politiker in Washingtoner Restaurants erschießen, etc.). Das klingt vielleicht hanebüchen, hat aber weitreichende Folgen gehabt. In mehreren Ländern wurden Terrorverdächtige aufgegriffen und teils auch schon verurteilt, die sich mithilfe von Inspire vorbereitet hatten.

Al-Kaidas Zentrale, die in Sachen Ideologie und Strategie immer noch eine Leitfunktion über die Filialen beansprucht, hat sich den „individuellen Dschihad“ später in einem Video offiziell zu eigen gemacht. Für die Terrororganisation, die darunter leidet, dass ihr schon lange kein spektakulärer Anschlag im Westen mehr geglückt ist, bieten selbst rekrutierte Attentäter im Westen eine größere Erfolgsaussicht, etwas in dieser Hinsicht zu bewerkstelligen.

Dass nun auch die Zentrale erstmals ein englischsprachiges Onlinemagazin herausgeben will, könnte damit zu tun haben, dass mit Nasir al-Wuhayshi ein Führungsmitglied von AQAP zur Nummer zwei hinter Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri aufgerückt ist.

Noch ist das Magazin nicht erschienen, sobald es da ist: mehr hier.

Eine Korrektur: In der ursprünglichen Fassung dieses Beitrags hatte ich geschrieben, in dem Clip sei ein O-Ton von George W. Bush verwendet worden. Das scheint nicht zu stimmen, mehrere Leser wiesen darauf hin, dass es sich um Malcolm X handelt. Ich hatte außerdem „Resurgence“ zunächst irrtümlich als „Aufstand“ übersetzt. Ich bitte beides zu entschuldigen.