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Die aktuelle Lage im Irak (6)

 

Vorbemerkung: Dieses Posting bildet den aktuellen Stand von Montag, den 23. Juni, 11 Uhr ab. Von Yassin Musharbash 

Irak verliert Kontrolle über Westgrenze an Isis

Kämpfer der Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) haben über das Wochenende vier Ortschaften im Irak eingenommen, nachdem die irakische Armee sie geräumt hatte, darunter die strategisch wichtige Stadt Rutba. Am Sonntag übernahmen sie in der Folge auch den Grenzübergang Turaibil zwischen dem Irak und Jordanien. Laut der Jordan Times hat Jordanien Gendarmerie, paramilitärische Einheiten und Spezialkräfte in Richtung des Grenzüberganges entsandt; in anderen Medien war von einer Teilmobilmachung die Rede, aber das könnte sich um eine Interpretation desselben Vorgangs handeln. Jordanien und der Irak haben eine 180 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Diese liegt sehr weit entfernt von jordanischen Bevölkerungszentren mitten in der Wüste, ist aber für den Handel bedeutsam. Aus Isis-Sicht ist die Kontrolle der Grenze aus einem anderen Grund wichtig. So kann sie entscheiden, was aus Jordanien in den Irak gelangt.

Gefechte in Ramadi und Kirkuk

Offizielle Twitter-Accounts von Isis vermeldeten gestern und heute Kampfhandlungen zwischen Isis und kurdischen Peschmerga-Kämpfern bei Kirkuk sowie zwischen Isis und irakischer Armee in Ramadi. Isis behauptet außerdem, die Kontrolle über die Straße zwischen Tikrit und Kirkuk gewonnen zu haben. Unabhängige Bestätigungen für diese Informationen gibt es nicht. Unwahrscheinlich sind sie nicht. Die New York Times schätzt, dass ein Viertel der irakischen Armee „nicht kampf-effektiv“ ist. Kurdische Quellen berichten zudem, dass ein Isis-Sprengsatz nahe der syrischen Grenze bei Rabia zwei Peschmerga-Kämpfer getötet und sieben verletzt habe; auch an anderen Orten habe es Gefechte gegeben, die kurdischen Milizen seien in erhöhter Alarmbereitschaft.

Kerry in Bagdad

Unterdessen ist US-Außenminister John Kerry in Bagdad eingetroffen. Sein Besuch lenkt den Blick auf die Tatsache, dass der Irak derzeit keine funktionierende Regierung hat. Kerry will offenbar Druck auf Premier Nuri al-Maliki ausüben, endlich eine Koalition hinzubekommen, um die Abwehr der Isis-Offensive zu vereinfachen.

Und sonst

Zahlreichen Berichten zufolge, die vor allem in sozialen Netzwerken kursieren, haben Isis-Kader Rauf Rashid Abd al-Rahman zum Tode verurteilt und hingerichtet. Er hatte als Richter 2006 das Todesurteil gegen Saddam Hussein gesprochen. Berichte über seine Hinrichtung gibt es seit fast einer Woche, jetzt rollt eine zweite Welle. Eine seriöse oder offizielle Bestätigung kenne ich nicht. Sollte die Nachricht stimmen, würde ich sie als Beleg für die Allianz zwischen früheren Baath-Kadern und Isis interpretieren.

Scott Peterson vom Christian Science Monitor ist in die Schiiten-Hochburg Kerbela gereist und berichtet über die Entschiedenheit dort, jeden etwaigen Angriff von Isis zurückzuschlagen.

Human Rights Watch zufolge haben Isis und andere Fraktionen des syrischen Bürgerkrieges Kindersoldaten rekrutiert. Ich kann auf Grundlage etlicher geposteter Bilder aus sozialen Netzwerken zumindest bestätigen, dass Isis in Syrien minderjährige Kämpfer ausstattet, darunter sind allem Anschein nach auch einige, die aus dem Westen stammen.

Für alle, die sich für die Social-Media-Strategie von Isis interessieren: Der Beitrag, den Sie dazu lesen sollten, ist dieser.