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Nein, das Terror-Kalifat hat keinen Zugriff auf Chemiewaffen

 

Am gestrigen Dienstagnachmittag berichtete Reuters (und berichteten viele andere Medien) von einem Brief des irakischen UN-Gesandten an den UN-Generalsekretär, aus dem hervorgehe, dass bereits am 11. Juni bewaffnete Terroristen die Kontrolle über eine frühere Anlage für Chemiewaffen übernommen hätten. Der Irak könne daher derzeit die Giftstoffe dort nicht, wie ihm eigentlich aufgetragen ist, vernichten.

Chemiewaffen und Terroristen? Das klingt nach Grund zur Sorge. Den verschiedenen Berichten zufolge gibt sich die US-Regierung zwar eher gelassen angesichts dieser Nachricht aus dem Irak, aber ich habe trotzdem noch einmal nachgefragt. Und zwar bei Dan Kaszeta, einem anerkannten Experten für chemische, biologische und radiologische Kampfstoffe, der heute als Berater tätig ist und früher für den US Secret Service gearbeitet hat.

Er antwortet mir Folgendes: Der Kampfstoff Sarin, den der Irak in der Vergangenheit produzierte, sei vergleichsweise schnell verderblich gewesen, und zwar innerhalb weniger Monate. Der Irak hat aber seit vielen Jahren kein Sarin mehr hergestellt. „Ich wäre überrascht, wenn noch brauchbares Sarin in diesen Raketen steckt“, so Kaszeta. Die Raketen selbst, die zum Ausbringen des Stoffes gedacht waren, beinhalten wiederum instabile Antriebsstoffe sowie Sprengphasen und seien „sehr unsicher, wenn man sie handhabt“. Das Material befinde sich nur deshalb noch an dem Ort, weil die USA, der Irak und die Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons noch keine Antwort auf die Frage gefunden hätten, wie man am besten mit diesen Hinterlassenschaften umgeht.

Nur ein sehr teurer, groß angelegter, industrieller Prozess könnte in der Theorie dazu führen, etwas Sarin aus den Raketen zu extrahieren, „aber das würde so einen umfangreichen und spezialisierten und langfristigen Aufwand benötigen, dass ich denke, es ist sehr unwahrscheinlich.“ Es sei viel wahrscheinlicher, dass jemand sich selbst tötet, wenn er das Material berührt.

Es könnte noch Reste von Senfgas in zumeist leeren Behältern geben. Aber auch hier könnte nur ein ernsthafter, industrieller Prozess ein paar Liter Senfgas extrahieren. Für einen militärischen Effekt bräuchte man aber Tonnen.

Es sei allerhöchstens denkbar, dass jemand eine Art Waffe zusammenbastelt, die „ein oder zwei Menschen krank macht und einen Chemie-Alarm auslöst.“

So weit die Einschätzung von Dan Kaszeta.
In diesem Licht ergibt die Aussage des Sprechers des US-Verteidigungsministeriums, die Reuters meldete, auch Sinn. „Was auch immer an Material dort aufbewahrt wurde, ist ziemlich alt und es ist nicht wahrscheinlich, dass es zugänglich ist oder gegen uns oder irgendjemanden eingesetzt werden kann (…) Wir betrachten dies (…) derzeit nicht als eine große Angelegenheit.“
Also zusammengefasst: Es scheint tatsächlich keinen Grund zur Sorge zu geben, dass die Terroristen des „Islamischen Staates“ demnächst Chemiewaffen einsetzen. Jedenfalls nicht, weil sie die Lagerstätte in Muthanna im Irak übernommen haben.