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Der „Islamische Staat“ ärgert Al-Kaida – und droht dem Westen

 

Es gibt Mitteilungen dschihadistischer Terrorgruppen, für die muss man nachts auch mal wach bleiben; die neue, gegen Mitternacht veröffentlichte Rede von Abu Muhammad al-Adnani, dem offiziellen Sprecher des „Islamischen Staates“, gehört nicht dazu. Seine Hauptbotschaft ist dieselbe wie immer: Die Dschihadisten werden siegen, alle anderen werden sterben. Es reicht locker, wenn Sie das heute Vormittag erfahren.

Interessanter ist, wie so oft, die Ebene unterhalb der angekündigten Apokalypse.

So verkündet Al-Adnani in der Rede beispielsweise, dass der IS eine neue Wilaya, also eine Provinz oder Verwaltungseinheit, ins Leben gerufen hat. Und zwar in Khorasan. Khorasan bezeichnet in der muslimischen Geschichtsschreibung eine Region zwischen dem heutigen Afghanistan und dem Iran; der IS dürfte Pakistan noch hinzurechnen. Warum ist das interessant? Weil das genau die Region ist, in der seit vielen Jahren Al-Kaida ihre Zentrale hat. Aus Sicht Al-Kaidas ist das ein Affront – der IS errichtet Strukturen, wo Al-Kaida lange Zeit ein De-facto-Monopol für den international ausgerichteten Dschihadismus hatte. Der IS und Al-Kaida sind ja bekanntlich zerstritten. Aber dass der IS derart offensiv nach Afghanistan und Pakistan auszugreifen versucht, ist doch etwas überraschend. Und es dürfte den Fantasien einiger IS- und Al-Kaida-Anhänger einen Riegel vorschieben, die schon von einer versöhnlichen Arbeitsteilung der beiden Terrorgruppen geträumt hatten.

Ansonsten ruft der IS seine Anhänger weiterhin offensiv dazu auf, um jeden Preis Anschläge im Westen herbeizuführen. Auch das ist ein Gebiet, auf dem der IS mit Al-Kaida konkurriert. Wörtlich sagt Al-Adnani, jeder Muslim, der „auch nur einen Tropfen Kreuzfahrerblut hätte fließen lassen können und das nicht getan hat“, würde dereinst bei Gott angeschwärzt werden. Eine Kugel, ein Messer, ein Auto, ein Stein, ja selbst ein Schuh kämen als Waffen infrage – so ähnlich hat er sich schon in seiner letzten Rede geäußert.

Al-Adnani lobt außerdem die Attentäter von Paris sowie die verhafteten beziehungsweise erschossenen Terrorplaner aus Belgien, darüber hinaus einen Attentäter, der vor Kurzem in Kanada das Parlament zu stürmen versucht hatte, und schließlich sogar den mutmaßlich verwirrten Mann, der in Sydney in einem Café vor Kurzem eine Geisel nahm. Sie werden alle als beispielhaft beschrieben (obwohl zwei der Pariser Attentäter im Namen Al-Kaidas handelten). Für Al-Adnani geht es darum, den Westen in einen permanenten Angstzustand zu versetzen.

Wie aktuell die Rede ist, lässt sich daran ablesen, dass Al-Adnani es noch geschafft hat, den Tod des saudischen Königs zu besprechen, dem er, wie zu erwarten, die Hölle in Aussicht stellt. Das ist übrigens vielleicht eine ganz gute Gelegenheit, drei Sätze zum Verhältnis des IS zu Saudi-Arabien zu verlieren. Immer wieder mal wird behauptet, der IS werde aus Saudi-Arabien unterstützt. Das stimmt nicht für die Regierung, wohl aber für individuelle Spender. Das Königshaus und der saudische Staat sind Hauptziele sowohl für Al-Kaida als auch für den IS. Dass der in Saudi-Arabien gepredigte Staatsislam ideologisch Anknüpfungspunkte zum Dschihadismus aufweist, stimmt zwar und ist problematisch, bestimmt aber nicht die Beziehung zwischen den Terroristen und dem saudischen Staat.