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Drei Vorschläge, wie man über Köln reden kann

„Es gibt so Wochen, da hört man vor lauter Gebrüll kaum seine eigenen Gedanken“, hat die Kollegin Carolin Emcke gestern getwittert. Die Diskussion darüber, was an Silvester am Kölner Hauptbahnhof passiert ist, ist wichtig. Aber sie ist auch laut, in Teilen überlaut, und sie verdient in manchen Ecken auch den Namen Diskussion nicht mehr: nämlich dort, wo Informationskrümelchen nur noch als Munition verwenden werden, um Ressentiments gegen Flüchtlinge, Migranten, Muslime, Araber loszuwerden.

Wer Nachdenklichkeit einfordert, den Mangel an gesicherten Informationen beklagt oder nicht zu jedem Aspekt sofort eine knallharte Meinung hat, gilt dann plötzlich als feige oder naiv oder als Apologet aller nur denkbaren Verbrechen. Ich will mich aber nicht in die Defensive drängen lassen. Ich bin, ganz im Gegenteil, davon überzeugt, dass man vernünftig über Köln diskutieren kann, ohne in eine dieser vermeintlichen Fallen zu tappen.

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Wie ein Pastor in einer Predigt Katholiken, Buddhisten und Muslime beleidigt

Am 18. Januar hat der Bremer Pastor Olaf Latzel in der St.-Martini-Gemeinde in Bremen eine, wie er selbst sagt, „harte“ Predigt gehalten. Jetzt hat er deswegen reichlich Ärger; so prüft zum Beispiel die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Und was hat Latzel gesagt? Seine Predigt (hier zum Nachhören) kreiste um die Geschichte des Gideon aus dem Buch der Richter. Der wird von Gott aufgefordert, einen heidnischen Altar zu zerstören. „Reinigung“, nennt Latzel das. Und kommt recht schnell auf die Bedeutung zu sprechen, die das für das Leben eines Christen im Jahr 2015 in Bremen habe: „Wenn ich Christ werde“, sagt er etwa, „dann habe ich keine Talismane… auch keine Buddha-Statue.“ Auch wenn es vielleicht nett sei, so einen „dicken, fetten Herrn“ im Wohnzimmer stehen zu haben: „Das muss weg!“

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Wie Gauland den Islam fremder macht, als er ist

Was bedeutet das eigentlich: einander „kulturell völlig fremd“ zu sein?

Ich habe mal einige Tage in einer Aborigine-Community im australischen Outback verbracht. Da habe ich erhebliche kulturelle Unterschiede festgestellt. Genau genommen habe ich gar nicht begriffen, was um mich herum geschah. Es gab nicht nur eine Sprachbarriere. Ich wusste auch nicht, was wichtig ist. Oder wer. Ich hatte keine Ahnung, welche Regeln gelten. Ich verstand nicht, was die anderen in mir sahen oder nicht sahen, ob sie etwas von mir erwarteten – und wenn ja, was?

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Pegida ist noch lange nicht vorbei

Pegida-Orgnisator Lutz Bachmann ist über ein Hitlerbärtchen gestolpert und zurückgetreten. Und in Leipzig stellte sich den Legida-Marschierern eine Überzahl an Gegendemonstranten in den Weg, so wie zuvor schon in Hamburg, Berlin, München, Köln und anderen Orten. Schlechte Nachrichten für die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ – ohne Zweifel. Aber ist jetzt alles wieder in Butter? Pegida abgehakt, weil das Gute gesiegt hat? Wenn schon Jakob Augstein drüben bei SPIEGEL ONLINE „stolz“ ist, weil „Deutschland (…) mit diesen rechten Spinnern nichts zu tun haben (will)“ – kann man dann nicht offiziell Entwarnung geben? 

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Der doppelte Kauder

CDU-Fraktionschef Volker Kauder hat der Welt ein Interview zum Thema Pegida gegeben, das ich unter mehreren Gesichtspunkten sehr interessant finde. Ohne dass dieses Problem explizit zur Sprache käme, erzählt das Interview zum Beispiel sehr beredt von den Schwierigkeiten der Union, eine Linie im Umgang mit den Pegida-Demonstranten zu finden. Kauder redet über die Abgrenzung zur AfD, zur NPD, zum Rechtsextremismus allgemein – aber er entwickelt keine eindeutige Haltung zu Pegida. Er warnt die Teilnehmer davor, sich mit Rechten gemein zu machen, sagt aber auch, dass es vollkommen normal sei, in einer Demokratie zu demonstrieren. Das ist nicht einmal widersprüchlich. Eine Partei hat ja auch das gute Recht, eine Position in Ruhe zu entwickeln.

Auf einer anderen Ebene ist Kauder in dem Gespräch allerdings seltsam mehrdeutig. So sagt Kauder zum Beispiel mit Blick auf das gestrige Weihnachtsliedersingen der Pegida-Demonstranten in Dresden:

„Wer Weihnachtslieder singt, wird etwa daran erinnert, dass Jesus Christus im Stall geboren wurde, weil er keine Herberge gefunden hat. Ein Weihnachtsgebot lautet: Gebt Herberge. Deswegen ist es doch gut, dass die Menschen in Dresden Weihnachtslieder gesungen haben.“

Fast scheint es, als wolle Kauder damit sagen: Da sollten die mal drüber nachdenken, diese Pegida-Leute!

Ein paar Antworten später fragen die Welt-Redakteure Kauder allerdings nach der Institution des Kirchenasyls. Kauders Antwort:

„Das Motiv dieser Christen ist ehrenwert. Ich sage aber ganz klar: Wir leben in einem Rechtsstaat. Der Staat sollte nicht daran gehindert werden, einen abgelehnten Asylbewerber abzuschieben. Deswegen halte ich Kirchenasyl für eine höchst problematische Sache.“

Natürlich muss man das nicht als Widerspruch werten. Wenn Kauder davon ausgeht, dass eben unser Rechtsstaat diejenige Institution ist, die „Herberge gibt“, und die Kirchen das deshalb nicht brauchen, stimmt das sogar. Aber man kann – und ich glaube: man darf – das auch anders sehen. Ich glaube nämlich, Kauder will das Kunststück vollbringen, sich von Pegida zu distanzieren, ohne sich von Pegida zu distanzieren.

Ein weiteres Beispiel. Die Welt-Redakteure wollen wissen: „Droht uns Islamisierung?“ Kauders Antwort:

„Es gibt keine Gefahr einer Islamisierung unserer Kultur.“

Ein paar Absätze später gibt Kauder dann jedoch dieser Sorge Ausdruck:

„Es darf nicht dazu kommen, dass in Deutschland eine islamische Partei entsteht. Es ist schon bedenklich genug, dass es in Deutschland einen Ableger von Erdoğans AKP gibt.“

Keine Gefahr – bedenklich genug. Gebt Herberge – problematische Sache. Ja, Nein, Jein.

Mag sein, dass manche Leser und Leserinnen Kauders Aussagen besonders differenziert finden. Ich weiß am Ende nicht mehr als vorher über seine Haltung gegenüber Pegida.

 

Was sagen eigentlich die Kirchen zu Pegida?

Die Pegida-Bewegung trägt den Begriff schon im Namen: „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes„. Doch Abendland ist hier nicht als geografische oder historische Bezeichnung gemeint; der Begriff „Islamisierung“ ist ein erster Hinweis: Die Pegida-Demonstranten meinen ein Abendland, das sie selbst oft mit den Attributen „christlich“ oder „christlich-jüdisch“ anreichern. Dieses Abendland stellt in ihren Augen eine Art gewachsene Wertegrundlage dar, deren Bedeutung durch die „Islamisierung“ in Frage gestellt werde.

Nun sind die evangelische und die katholische Kirche natürlich nicht die Gralshüter dieses Begriffs. Auch der Zentralrat der Juden ist es nicht. Jeder ist frei, ihn zu verwenden. Ich fand es trotzdem interessant, alle drei Institutionen zu fragen, wie sie zu diesem Begriff stehen. Außerdem wollte ich wissen, ob sie eine Islamisierung des Abendlandes befürchten.

Ich habe deshalb drei Mal dieselbe E-Mail verschickt; die beiden Fragen lauteten folgendermaßen:

1.) Glauben Sie, dass es eine schleichende, offene oder drohende „Islamisierung“ in Deutschland gibt?

2.) Finden Sie den Begriff „Abendland“ oder „christliches Abendland“ oder „christlich-jüdisches Abendland“ sinnvoll? Was bedeutet er für den Zentralrat der Juden / die Deutsche Bischofskonferenz / die Evangelische Kirche in Deutschland, verwenden Sie ihn oder halten Sie ihn für irreführend?

Im Folgenden dokumentiere ich die Antworten in voller Länge.

Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland antwortete so:

„Von einer Islamisierung kann angesichts eines Bevölkerungsanteils von weniger als fünf Prozent Muslimen und des friedlichen Zusammenlebens keine Rede sein. Der Begriff christliches Abendland ist ein Kulturbegriff, der mit Religion nur bedingt etwas zu tun hat. Er kann leicht dazu missbraucht werden, etwas als christlich auszugeben, was faktisch den christlichen Orientierungen entgegensteht. Der Begriff wird leider auch oft missbraucht, um sich von anderen Menschen, anderen Religionen und anderen Kulturen abzugrenzen. Wenn der Begriff benutzt wird, um ausländerfeindliche, rassistische und menschenverachtende Parolen zu unterfüttern, ist das das genaue Gegenteil von Christentum.“

Die Antwort von Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden:

„Von einer ‚Islamisierung‘ Deutschlands kann überhaupt keine Rede sein. Das zeigen allein die Zahlen: In Deutschland leben nur vier Millionen Muslime, vier Millionen von 80 Millionen Bürgern. Hier werden von den Pegida-Initiatoren in unverantwortlicher Weise Ängste geschürt und zugleich eine bestimmte Religion verunglimpft. Mit Blick auf unsere Geschichte kann man durchaus von einer christlich-jüdischen Kultur sprechen. Der Begriff „christlich-jüdisches Abendland“ wird von Pegida und Co. jedoch in einem ausgrenzenden Sinn verwendet. Das lehne ich ab. Sowohl in der Geschichte Europas als auch heutzutage hat der Islam zu wichtigen kulturellen und zivilisatorischen Errungenschaften beigetragen und war und ist eine Bereicherung. Ebenso gab es immer säkulare Strömungen, die unsere Kultur vorangebracht haben.“

Schließlich die Antwort des Pressesprechers der Deutschen Bischofskonferenz (DBK):

„Wir bitten um Verständnis, dass wir uns derzeit nicht an der Debatte beteiligen möchten. Die jüngsten Positionen von Papst Franziskus zum Islam (s. Besuch in der Türkei) und die Bedeutung Europas (s. Besuch in Straßburg) sind sicherlich wegweisend.“

 

EKD und ZdJ sind sich also einig: Von einer Islamisierung kann keine Rede sein. Zudem sehen sie die Art und Weise der Verwendung des Begriffes „Abendland“ durch Pegida skeptisch bis kritisch. (Allerdings warnt der EKD-Vorsitzende zugleich vor einer „Dämonisierung“ der Pegida-Bewegung, das ergänze ich hier gerne der Vollständigkeit halber.)

Ich bin dem Hinweis des DBK-Sprechers gefolgt und habe nachgelesen, was Papst Franziskus in der Türkei beziehungsweise in Straßburg gesagt hat. Der Papst hat hat auf diesen Reisen deutliche Worte gegen islamistischen Terrorismus, für die Religionsfreiheit und für den interreligiösen Dialog gefunden. Er hat auch inhumane Praktiken im Umgang mit Flüchtlingen angeprangert. Es waren starke, klare Aussagen. Aber auf das Phänomen Pegida sind sie nur schwer anzuwenden.

Unter dem Strich scheint es mir dennoch so zu sein, dass die Pegida-Demonstranten sagen wir mal: eher wenig Rückhalt in jenen offiziösen Institutionen genießen, deren Werte und Maßstäbe sie verteidigen möchten. Heute wollen die Demonstranten in Dresden mit dem Singen von Weihnachtsliedern gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ protestieren. Ich vermute, dass kaum ein katholischer, evangelischer oder jüdischer Geistlicher dabei sein wird.