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So lief das Schachjahr 2014

 

Das Comeback des Jahres

Viswanathan Anand: Bei der WM im vergangenen Jahr gewann Anand keine einzige Partie, verlor krachend gegen Magnus Carlsen. Etliche Experten rieten dem Inder nach dieser Niederlage zum Rücktritt. Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik, der 2008 in Bonn gegen Anand um den Titel gespielt hatte, war anderer Meinung. Er ermunterte den Freund und Rivalen zur Teilnahme am Kandidatenturnier. Ein guter Rat: Anand gewann souverän, Kramnik wurde Dritter. Deshalb durfte Anand im November 2014 noch einmal gegen Carlsen um den WM-Titel spielen. Dieses Mal als Herausforderer. Er verlor zwar wieder, aber wesentlich knapper (und unglücklicher) als vorher.

Vishy Anand –– Raveendran/AFP/Getty Images

Der Verlierer des Jahres

Garri Kasparow: Der Ex-Weltmeister wollte sich zum Präsidenten des Weltschachbundes Fide wählen lassen, doch die Delegierten aus allen Ländern vertrauten weniger der Reputation Kasparows als Schachspieler, sondern lieber dem Geld, das der amtierende Präsident Kirsan Iljumschinow ihnen versprochen hatte.

Der Aufsteiger des Jahres

Fabiano Caruana: Der in den USA geborene Italiener gewann Anfang September den Sinquefield Cup, eines der stärksten Turniere alle Zeiten. Sechs der zehn besten Spieler der Welt waren gegeneinander angetreten, doch Caruana punktete wie in einem offenen Turnier für Amateure und schlug einen Spieler der Weltelite nach dem anderen, darunter auch Magnus Carlsen. Am Ende hatte Caruana drei Punkte Vorsprung auf den Zweitplatzierten Carlsen, lieferte eine der besten Turnierleistungen der Schachgeschichte und schob sich auf Platz zwei der Weltrangliste. Und der Mann ist erst 22 Jahre alt.

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Der Erfolg des Jahres

China: Das Land holte bei der Schacholympiade in Tromsø, Norwegen, erstmals die Goldmedaille. Mit einer sehr jungen Mannschaft und nur einer verlorenen Partie. Auf Platz zwei landete Ungarn, Bronze ging an Indien. Die chinesischen Frauen landeten hinter Russland auf dem zweiten Platz. Einer der wenigen Rückschläge, den die Schachweltmeisterin Hou Yifan im Jahr 2014 hinnehmen musste. Ansonsten eilte die 19-Jährige von Erfolg zu Erfolg. Fast wäre es ihr gelungen, die Ungarin Judit Polgár, die beste Schachspielerin aller Zeiten, in der Weltrangliste einzuholen. Zwei Punkte fehlten der Chinesin noch. Doch Polgár, die 1992 im Alter von 15 Jahren und vier Monaten jüngster Großmeister (Männer und Frauen) aller Zeiten und 25 Jahre unangefochtene Nummer eins im Frauenschach gewesen war, verkündete bei der Olympiade ihren Rückzug vom Turnierschach.

Der Fehler des Jahres

Der schon jetzt legendäre Doppelfehler in der sechsten Partie der Schach-WM: Carlsen hatte Weiß, stand besser, machte dann aber einen unbedachten Zug, bei dem er übersehen hatte, was Kommentatoren vor Ort und Millionen von Zuschauern in aller Welt sofort sahen: eine Möglichkeit Anands, die Carlsen zwei Bauern, die Partie und den Titel hätte kosten können. Aber Anand rechnete nicht mit Geschenken seines am Schachbrett wenig freigiebigen Gegners. Nach der vielleicht längsten und wichtigsten Minute des Schachjahres 2014 spielte Anand einen harmlosen Zug und ließ seine Chance ungenutzt verstreichen. So verlor er die Partie und lag bei Halbzeit im Wettkampf nicht 3,5:2,5 vorne, sondern 2,5:3,5 im Rückstand.

Der Schnellste des Jahres

Magnus Carlsen: Schach gilt gemeinhin als gemächliches Spiel und wirkt manchmal so unspektakulär, dass böswillige Kritiker meinten, genauso gut könne man Farbe an der Wand beim Trocknen zusehen. Doch wer das sagt, weiß nicht, was Blitzschach ist. Beim Blitzschach hat man nur wenige Minuten Bedenkzeit für die ganze Partie, und wenn die verbraucht sind, ist es vorbei, egal was ist. Bei der Blitzweltmeisterschaft im Juni in Dubai gab es drei Minuten für die ganze Partie sowie einen Zeitaufschlag von zwei Sekunden pro Zug. Magnus Carlsen wurde Blitzweltmeister und gewann auch gleich die Schnellschachweltmeisterschaft – da hatte man immerhin 15 Minuten für die ganze Partie. Insgesamt bescherte 2014 dem Norweger also drei Weltmeistertitel.

Die Debatte des Jahres

Soll Schach als Sport gefördert werden oder nicht: Studien zeigen, dass sich Konzentrationsfähigkeit und Sozialverhalten von Kindern, die regelmäßig Schach spielen, verbessern. Was liegt also näher als der Gedanke, das Schach staatlich zu fördern? Antwort: Der Wunsch nach möglichst vielen Medaillen bei den „echten“ Olympischen Spielen. Also strich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) dem Schach die Förderung. Begründung: Schach sei kein Sport, weil man sich beim Schach nicht bewege. Eine umstrittene Definition und eine umstrittene Begründung. Nach Protesten, Debatten und einer Neufassung der Förderrichtlinien erklärte sich der DOSB im Dezember schließlich bereit, Schach weiter zu fördern, allerdings nur noch mit 93.000 Euro pro Jahr. Vorher war die Förderung des Denkens dem Deutschen Olympischen Sportbund 135.000 Euro pro Jahr wert gewesen. Insgesamt bewilligte das Bundesministerium des Inneren dem Sport 2014 übrigens einen Etat von 138 Millionen, acht Millionen mehr als noch 2013.

Was sonst noch so im deutschen Schach geschah

Deutscher Mannschaftsmeister wurde die OSG Baden-Baden, zum neunten Mal in Folge. In der laufenden Saison liegt Baden-Baden mit drei Punkten Vorsprung in Führung und so stehen die Chancen für einen zehnten Sieg in Folge gut.

Bei der Schacholympiade in Tromsø landeten die deutschen Herren nach gutem Beginn auf Platz 30, die deutschen Damen kamen auf Platz neun. Für eine kleine Sensation bei der Olympiade sorgte die deutsche Nummer eins, Arkadij Naiditsch, der gegen Weltmeister Carlsen gewinnen konnte.

Deutscher Meister 2014 wurde der im lettischen Riga geborene Großmeister Daniel Fridman. Nach 2008 und 2012 war es sein dritter Landesmeistertitel. Einer weniger als seine Frau Anna Zatonskih. Sie wurde in der Ukraine geboren, lebt mit Ehemann Daniel und ihrer Tochter in Bochum, doch spielt für die USA. 2006, 2008, 2009 und 2011 wurde sie Landesmeisterin.

Zweiter bei der Deutschen Meisterschaft wurde der 17-jährige Dennis Wagner, der sich nach seinem frühen Abitur – eine Klasse übersprungen, Gesamtnote 1,0 – ein Jahr lang ganz dem Schach widmet. Auch ein anderes Talent sorgte bei der Deutschen Meisterschaft für Aufsehen: Vincent Keymer. Mit 3,5 Punkten aus 9 Partien schlug sich der 10-Jährige mehr als beachtlich und verblüffte Gegner und Zuschauer immer wieder.