Am dritten Adventswochenende endete in Saarbrücken die 86. Deutsche Meisterschaft im klassischen Schach. Es gewann der Großmeister Klaus Bischoff, eine der bekanntesten Figuren im deutschen Schach, sei es in seiner Rolle als unterhaltsamer Kommentator und lebende Anekdotensammlung oder unangefochtener deutscher Rekordmeister (13 Titel) im Blitzen. Er muss es bei jeder Siegerehrung aufs Neue nachrechnen. Schnellschachmeister war er auch mehrfach. Mannschaftsmeister alleine mit Bayern München – neun Mal. Doch im Einzel war es nach 2013 erst sein zweiter Titel, zum zweiten Mal löste er den Nationalspieler Daniel Fridman ab.
Bischoff lieferte sich über das gesamte Turnier einen spannenden Zweikampf mit seinem Großmeisterkollegen Vitaly Kunin, bevor er in der vorletzten Runde überraschend gegen den Außenseiter Christian Braun verlor. Bischoff, der in seiner jahrzehntelangen Karriere nun wirklich alles Menschenmögliche gesehen und erlebt haben muss, konnte sich in dieser Partie offenbar nicht an seine eigene, ein Jahrzehnt zurückliegende Begegnung gegen den Chinesen Li Shilong erinnern, gegen den er in identischer Stellung deutlich stärker fortgesetzt hatte. Bischoff musste bald aufgeben, er schien raus aus dem Titelrennen.
Doch in der Schlussrunde wendete sich das Schlachtenglück noch einmal. Bischoff besiegte mit Schwarz den ungestüm angreifenden Jungstar Alexander Donchenko, der von Kindesbeinen von seinem Vater, einem ebenfalls starken Meister trainiert wird und im Gegensatz zu seinem Prinzenkollegen Matthias Blübaum wohl eine Profikarriere anstrebt. Bischoffs Konkurrenten spielten allesamt unentschieden, nach Zweitwertung gewann er den Titel – er hatte im Verlaufe des Turniers rechnerisch gegen leicht bessere Gegner als Kunin gespielt, der Vizemeister wurde. Der Hamburger Jüngling Rasmus Svane wurde Dritter und auch sonst hatte die Jugend einige gute Platzierungen zu vermelden – der 16-jährige Dmitrij Kollars wurde Sechster, der elfjährige Vincent Keymer (dem selbst der große Garry Kasparow bereits Weltklasse-Potenzial bescheinigte) Zehnter.
Wenn Ihnen als Leser viele dieser Namen nichts sagen, liegt es nicht an Ihnen, sondern am Modus der Deutschen Meisterschaft. Seit Jahren halten sich die meisten echten Spitzenspieler fern. Sowohl der magere Preisfonds, als auch das Teilnehmerfeld, welches sich zum größten Teil aus den Gewinnern der ebenso dürftig besetzten Meisterschaften der Landesverbände speist, oder die Austragungsorte mit Saarbrücken als dauerhafte Notlösung, auf die jedes Mal zurückgegriffen wird, wenn niemand die Meisterschaft ausrichten will (also sehr oft) – all das ist nicht sonderlich attraktiv für Spieler, die nicht gerade auf Preisgelder angewiesen sind oder dringend Spielpraxis benötigen.
Dabei könnte man sich viel aus dem Ausland abgucken. In den Niederlanden ist die Meisterschaft ein Turnier der besten Acht, sich für die wenigen freien Plätze zu qualifizieren, ist eine große Ehre. In unzähligen anderen Ländern, ob Finnland, Polen oder Armenien, werden auf der Meisterschaft Plätze im Nationalteam ausgespielt, die Turniere selbst sind teilweise in große Festivals eingebettet, wo neben dem Hauptevent auch Frauen, Jugendliche oder Amateure zum Zuge kommen dürfen, und das alles vielleicht sogar in einer großen Stadt. Bei uns schickt man die Spieler wie 2012 ins sachsen-anhaltinische Osterburg – es ist schon schwer, einen Ort in Deutschland zu finden, der noch weiter von der Autobahn entfernt ist. Die deutsche Meisterschaft ist nun mal eine lästige Pflicht, die schnell und unbemerkt vorübergehen soll, damit niemand bemerkt, dass sie diesen Status kaum verdient.
Klaus Bischoff wird dies alles egal sein. Viel Aufsehen um seine Person ist ihm eh nicht wichtig, auf wie neben dem Brett ist er nicht gerade ein extrovertierter Charakter. Seinen Erfolg wird er im Stillen genossen haben. Und auch für die Nationalmannschaft muss er sich nicht mehr beweisen – er gewann mit Deutschland bereits schon einmal Silber, bei der Olympiade 2000 in Istanbul.