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Kandidatenturnier 2016: Karjakin besiegt Anand und führt

 

In einer munteren vierten Runde des Kandidatenturniers in Moskau bekamen die Zuschauer zunächst ein schnelles, aber zumindest optisch keineswegs langweiliges Remis zu sehen. In einer scharfen halbslawischen Variante entbrannte zwischen Hikaru Nakamura und Anish Giri eine theoretische Diskussion, für die sich beide als bestens vorbereitet erwiesen. Giris König landete schnell auf dem etwas ungewöhnlichen Posten f6, aber der junge Holländer dürfte noch nicht einmal besonders aufgeregt gewesen sein, denn ihm war die Position mit Sicherheit noch aus seiner Hausanalyse bekannt.

giri_nakamura

Er ließ hier sogar kühn mit 24…c5!? (24…Kg7 hielt die Partie am Laufen) ein Abzugsschach zu, wonach abernach 25.fxg6+ Kxg6 26.Sxf7 Tf8 27.Sd5 Dxb2 beide Seiten über keinerlei Ressourcen mehr verfügten, weiterzuspielen, ohne sich selbst weh zu tun. Daher gab Nakamura beginnend mit 28.Se7+ Dauerschach, wodurch er noch immer mit 1,5/4 bei „Minus Eins“ steht und bisher schwerlich zufrieden mit seinem Abschneiden bei seinem ersten Kandidatenturnier sein kann. Für Giri dagegen ist nach seinem vierten Remis noch immer alles drin, er wird im späteren Turnierverlauf auf wenige, gezielte Schläge aus sein.

Als Nächstes wurden die beiden nach einer Umfrage unter Schachfans und Schwiegermüttern wohl beliebtesten und charismatischsten Kandidaten der Show „Wer datet Magnus Carlsen?“ fertig, Lewon Aronjan und Pjotr Swidler. Immer ein Spruch auf den Lippen, immer ein freundliches Lächeln, immer ein wenig Understatement, welches noch nicht einmal komplett aufgesetzt klingt, lassen die beiden jede Pressekonferenz zu einem Genuss werden. Noch nicht einmal der Umstand, dass die Partie trotz anfänglich obskurer Bauernstrukturen

aronian_svidler

(Stellung nach 13.dxc5)

minimal dröge verlaufen war, störte die beiden, sie können einfach stundenlang über Schach reden, ohne dass es langweilig oder eintönig wird.

Danach passierte endlich etwas, was wirklich über Schattenboxen hinausging. Sergey Karjakin besiegte den mehrfachen Exweltmeister Vishy Anand und fügte diesem seine erste Niederlage im Turnier bei, nachdem der Inder die sibirische Auflage 2014 noch unbeschadet überstanden hatte und unter anderem gegen Karjakin eine sehr schwierige Endspielstellung mit Türmen und Springern retten konnte. Nicht aber in diesem Jahr:

karjakin_anand

Karjakin hat sich mit seinen Figuren tief in die indischen Reihen gebohrt, die schwarzen Figuren sind alle aneinander gebunden und drohen abgeholt zu werden. Nach dem einzigen Zug 40…Se7 (sonst wird Schwarz sofort von einer weißen Springergabel erledigt, folgte 41.Td6 womit Weiß sowohl das quälende Eingreifen seines Königs droht, als auch sofort den Bauern auf d5 zu schlagen. Es folgte der Kurzschluss 41…Tb6? (41…Sc8 verlängerte das Leid zumindest) 42.Td7 a6 43.Sc3 und nun verliert Schwarz bei Weitem nicht nur den Bauern auf d5, gab also die Partie auf. So elegant der Partieschluss, so fade allerdings die anschließende Konferenz. Anand nach einer Niederlage bedient wie eh und je, Karjakin in seinen Ausführungen etwa das Gegenteil an Eloquenz im Vergleich zu der Konferenz davor – etwas redundant und streng auf die 64 Felder beschränkt. Dafür führt er das Turnier mit 3 Punkten aus 4 Partien nun alleine an – und das als nicht gerade ausgewiesener Topfavorit der meisten Experten.

Ebenfalls nicht als Topfavorit galt der Bulgare Wesselin Topalow, der um ein solches Turnier auf dem ersten Platz zu beenden, meist doch ein wenig wechselhaft agiert. In Moskau läuft bei ihm bisher bei 0,5/3 doch sehr wenig zusammen und auch heute war er extrem kurz davor, seine dritte Partie zu verlieren, es wäre gegen Fabiano Caruana gewesen. Dieser überspielte Topalow völlig, rutschte aber an einer Stelle aus, an der seine Aufgabe bereits absurd einfach war:

caruana_topalow

Hier einfach mit 41.Txf6 die Türme zu tauschen und nach 41…Dxf6 mit 42.Tb2 den f2 zu decken, lag doch sehr auf der Hand. Hat der Italo-Amerikaner etwa 42…Lf5 befürchtet und 43.Dxf5 mit folgender Springergabel übersehen? Man mag es fast nicht glauben. Und doch, Caruana spielte das viel schwächere 41.Tbb5 und nach 41…Txf2 42.Txg6 Txf1+ 43.Kh2 Dxc8 verzichtete er auch noch auf das bessere 44.Dxh6 und gab sich mit 44.Dxc8 Txc8 45.Txc6 einem „sicheren“ Turmendspiel hin, was aber dank des starken schwarzen e-Bauern schnell Remis endete. Mal sehen, ob Topalow durch diesen Lucky Escape neue Energie schöpfen kann, für Caruanas Turnier war dieses Partieende wohl pures Gift.

Die Zwischenstände lauten nach 4 von 14 Runden also:

3 Karjakin

2,5 Aronjan

2 Caruana, Anand, Giri, Swidler

1,5 Nakamura

1 Topalow

Am Mittwoch und Donnerstag wird wieder um 13:00 deutscher Zeit gespielt, bevor am Freitag ein nächster Ruhetag folgt.