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Der Liebling der Diktatoren hat ein Problem

 

Kirsan Iljumschinow: Der Liebling der Diktatoren
Kirsan Iljumschinow (AFP/Getty Images)

Seit 20 Jahren ist Kirsan Iljumschinow Präsident des Weltschachverbands Fide. Richtig ernst nehmen ihn nur wenige Schachspieler. Warum auch? Schließlich hat Iljumschinow in Interviews wiederholt behauptet, Außerirdische hätten ihn im September 1997 auf einen Trip durchs All mitgenommen.

Auch die Bilanz der Amtszeit Iljumschinows fällt gemischt aus. Zwar hat er nach eigenen Angaben mehr als 80 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen in das Schach gesteckt, um Turniere und Wettkämpfe zu finanzieren. Zugleich aber wurden während seiner Amtszeit immer wieder wichtige Turniere abgesagt oder verschoben und eine Reihe willkürlicher Regeländerungen vorgeschlagen, durchgesetzt und wieder verworfen.

Dieses Chaos prallte an Iljumschinow ab, seit Kurzem aber hat er ein anderes Problem: Seine Nähe zu den Diktatoren dieser Welt könnte ihm zum Verhängnis werden. Am 29. April 2012 traf er sich mit dem syrischen Diktator Baschar al-Assad, laut Fide, um mit dem syrischen Herrscher über ein Projekt zur Förderung von Schach in Schulen zu sprechen. Doch das Finanzministerium der USA glaubt offenbar, Iljumschinow und Assad hätten noch andere Dinge besprochen und am 25. November 2015 verhängte das Office of Foreign Assets Control Sanktionen gegen Iljumschinow.

Die US-Behörde wirft ihm vor, als Hauptanteilseigner der russischen Finanz-Allianz-Bank Ölgeschäfte zwischen dem Irak und Syrien vermittelt zu haben. Durch die Sanktionen kann Iljumschinow nicht in die USA einreisen, seine Konten in den USA sind eingefroren und US-Bürger dürfen keine geschäftlichen Beziehungen zu ihm unterhalten. Da die Schachweltmeisterschaft 2016 in den USA stattfinden soll und drei US-Spieler beim Kandidatenturnier 2016 teilnehmen, das die Fide organisiert, gerät Iljumschinow und mit ihm der Verband allmählich in Zugzwang.

Die Sanktionen könnten tatsächlich das Ende der 20-jährigen Amtszeit von Iljumschinow als Präsident der Fide einläuten. Doch man sollte Iljumschinows Beharrlichkeit und sein politisches Geschick nicht unterschätzen. Er behauptet zwar, an Außerirdische zu glauben, doch seine gesamte Karriere hindurch bewies er großen Sinn für zwei sehr irdische Dinge: Geld und Macht.

Den Grundstein für sein Vermögen und seine Karriere legte der 1962 geborene Iljumschinow, als er von 1983 bis 1989 in Moskau am Institut für Außenpolitik studierte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 kam er sehr schnell zu sehr viel Geld – wie genau hat Iljumschinow, der sonst gerne mit seinen Leistungen und Erfolgen prahlt, nie verraten. 1993 wurde Iljumschinow zum Präsidenten von Kalmückien gewählt, einer kleinen, armen, seit 1992 autonomen, ehemaligen Sowjetrepublik am Kaspischen Meer, die vor allem aus Steppe besteht.

Seine Wahl zum Präsidenten des Weltschachbundes 1995 bedeutete einen weiteren Karriereschritt für Iljumschinow, das Amt verschaffte ihm politische und geschäftliche Möglichkeiten, die er als Präsident von Kalmückien oder Geschäftsmann nie gehabt hätte. In Sachen Schach kann er durch die ganze Welt reisen und mit Politikern und potenziellen Geschäftspartnern sprechen. Iljumschinow wurde 2006, 2010 und 2014 durch Wiederwahl bestätigt. Über die Wahl des Fide-Präsidenten entscheiden die Vertreter der Länder, die Mitglieder der Fide sind. Dabei hat jedes Land nur eine Stimme, egal ob der jeweilige Schachverband 50.000, 50 oder nur fünf Mitglieder hat. Und bei jeder Präsidentenwahl steht die Möglichkeit im Raum, die Stimmberechtigten mit „Geschenken“, Versprechungen oder Vergünstigungen von den Vorzügen der eigenen Kandidatur zu überzeugen.

2014 war der Ex-Weltmeister Garri Kasparow Iljumschinows Gegenkandidat bei der Wahl zum Fide-Präsidenten. Nach seinem Rücktritt vom Turnierschach wurde Kasparow, den viele für den besten Schachspieler aller Zeiten halten, in der russischen Opposition politisch aktiv und ein lautstarker Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, einem langjährigen Vertrauten und Freund von Iljumschinow. Dürften alle offiziell registrierten Schachspieler über den neuen Fide-Präsidenten direkt abstimmen, hätte Kasparow wahrscheinlich einen überwältigenden Sieg errungen. Bei der Abstimmung der Ländervertreter unterlag er Iljumschinow jedoch deutlich.

Neben einer fehlenden strategischen Linie bei der Leitung der Fide, Korruption und Wahlmanipulation werfen Kritiker Iljumschinow vor, er würde sich zu oft in schlechte Gesellschaft begeben und damit das Image des Schachs beschädigen. Berührungsängste kennt Iljumschinow tatsächlich nicht. Auf seinen Reisen als Fide-Präsident hat er sich unter anderem schon mit dem Dalai Lama, Papst Johannes Paul II., Henry Kissinger, Saddam Hussein oder Muhammad al-Gaddafi getroffen.

Die Schachweltmeisterschaft 1996 wollte Iljumschinow im von Saddam Hussein regierten Bagdad im Irak stattfinden lassen, doch nach weltweiten Protesten wurde dann doch in Elista, der Hauptstadt Kalmückiens, gespielt. 2004 verhallten alle Proteste ungehört und die Schachweltmeisterschaft fand in Tripolis, im von Gaddafi regierten Libyen, statt. Auch danach hielt Iljumschinow Kontakt zu Gaddafi. 2011, kurz vor dem Ende des Diktators, als Libyen schon von den USA und ihren Verbündeten bombardiert wurde, traf sich der Fide-Präsident noch einmal mit dem Diktator und posierte für eine Partie Schach mit ihm.

Derzeit aber kann Iljumschinow seine Aufgaben als Fide-Präsident praktisch nicht mehr ausüben. Anderthalb Wochen nach Verhängung der Sanktionen erklärte er Anfang Dezember deshalb, dass er sich von seinen Amtsgeschäften als Fide-Präsident zurückzieht, um Zeit zu haben, die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften. Die offiziellen Aufgaben Iljumschinows übernimmt nun der Grieche Georgios Makropoulos, seit 1986 hochrangiger Funktionär des Weltschachverbands, seit 1996 stellvertretender Präsident der Fide und seit Jahren enger Vertrauter Iljumschinows.