Als die Schachbundesliga 1980 gegründet wurde, fanden die Begegnungen in Hinterzimmern von Gaststätten oder Kneipen statt. Oder in spartanisch eingerichteten Freizeitheimen. Ein Ärgernis waren zudem die damals verbreiteten „Salonremisen“, ob abgesprochen oder aus geringem Kampfwillen resultierend. Partien konnten nach 15, 10 oder auch schon mal 6 Zügen zu Ende gehen, wonach die beiden Profis sich oft ins gleiche Auto setzten und nach Hause Richtung Osteuropa fuhren.
Und jetzt? Kurzremisen gibt es keine mehr, ein Friedensschluss ist erst nach 20 Zügen erlaubt. Die muffigen Gaststuben wurden gegen repräsentative Sparkassengebäude, Hotels oder Rathäuser eingetauscht, in Berlin ist die Bundesliga manchmal im Willy-Brandt-Haus der SPD zu Gast. Es gibt hochwertiges Catering, die Spieler tragen Einheitskleidung, die Partien werden live ins Internet übertragen. Nur nach einer Kleinigkeit aus früheren Zeiten sehnt man sich heute: dem Zuschauer.
Nur einmal im Jahr, wenn sich alle 16 Mannschaften zu einem gemeinsamen Wettkampf, einer zentralen Bundesligarunde versammeln, kommen auch genug Zuschauer. Sonst spielen die Großmeister vor leeren Rängen. Verlassen kann man sich nur auf eine Handvoll Senioren vom ausrichtenden Verein. Manchmal ist gar keiner da. Selbst in Kneipen der achtziger Jahre war mehr los.
Als sich die Schachbundesliga e.V. 2007 vom Deutschen Schachbund loslöste, wollte sie sich eigentlich besser vermarkten. Doch eine Liga zu verkaufen, der die wichtigen Merkmale einer Liga fehlen, ist schwer. Einen echten Wettbewerb um die Meisterschaft gibt es seit 2006 nicht mehr, die OSG Baden-Baden hat seitdem neun Mal gewonnen. Der Abstiegskampf ist eine Farce, da immer wieder Mannschaften zurückziehen und die sportlichen Absteiger weiterspielen dürfen.
Das Desinteresse hat noch andere Gründe: die fehlende Identifikation mit den Spielern etwa. Baden-Baden spielt immerhin mit vielen Weltstars und bekannten deutschen Großmeistern im Kader. Aber Vereine wie Trier oder Emsdetten treten auch gerne mit acht ausländischen Profis an, die meisten ohne jede Bindung zur Vereinsbasis und Attraktivität für das Publikum.
Selbst diejenigen, die sich für die Bundesliga interessieren, haben oft keine Zeit, diesem Interesse nachzugehen. Die Bundesliga spielt an sieben Wochenenden im Jahr, samstags um 14 Uhr und sonntags um 10 Uhr. An allen diesen Sonntagen müssen aber von der 2. Bundesliga bis zur Kreisklasse auch die Amateure an die Bretter. Jeder Versuch, diese Termine zu entzerren, ist bisher gescheitert, weil auch zusätzliche Wochenenden für die Frauenligen freigehalten werden müssen.
Die Samstagsrunden sind traditionell immer besser besucht, leider aber sehr unter dem Fußball. Winfried Hilgert, Mäzen der SG Köln-Porz, die seit 2009 die 2. Liga West dominiert, forderte sogar einmal vergeblich eine Abkehr vom Samstagstermin. Dies ist der Grund, warum Porz seit sechs Jahren nicht aufsteigt.
So wird die Schachbundesliga kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Regelmäßige Berichterstattung gibt es sogar in Schachzeitschriften kaum noch. Auf der Webseite der Bundesliga finden sich zwar zeitnah grobe Zusammenfassungen der Spieltage, auf die einzelnen Begegnungen wird aber kaum eingegangen. Die Homepages der Vereine bieten oft noch weniger.
Das einzige, was gut funktioniert und vom Publikum angenommen wird, ist die Liveübertragung der Partien im Internet. Während eines Spieltags sind gleichzeitig einige Tausend Zuschauer online. Für die übersichtliche Schach-Community eine ordentliche Zahl, für große Sponsoren aber Peanuts, zumal sich der Traffic nur auf sieben Wochenenden im Jahr konzentriert.
Für das Fernsehen als untauglich befunden scheint Schach für das Medium Internet wie geschaffen. Der Hype um die WM-Zweikämpfe oder Kandidatenturniere der vergangenen Jahre wäre ohne die Online-Fortschritte nicht möglich gewesen. Ein Livestream aus dem Spielsaal gehört mittlerweile genauso zum Standard wie eine mehrsprachige Kommentierung der Partien und mitlaufende Bewertungen der Stellung durch ein Schachprogramm.
Die neuen Entwicklungen im Internet haben bei den Schachinteressierten einen Nerv getroffen. So sehr, dass die neugegründete Seite Chess24 versucht, mehr kostenpflichtige Inhalte einzuführen. Doch es ist keine leichte Aufgabe, verwöhntes Publikum erst später an bezahlte Inhalte zu gewöhnen.
Dies aber wäre auch für die Verantwortlichen in der Schachbundesliga ein möglicher Ansatz. Der Eintritt ist meist kostenlos, weil in öffentlichen Gebäuden kein Eintritt verlangt werden darf. Nur wenige Vereine nehmen mal fünf Euro. Mit mehr Eintrittsgeld könnte man etwa das vielerorts mangelhafte Rahmenprogramm aufpäppeln. Außerdem könnte bei den Zuschauern das Gefühl geweckt werden, dass sie für ihr Geld einen echten Gegenwert erwarten können. So billig zu verkaufen wie derzeit bräuchte sich die Bundesliga nicht. Was nichts kostet, ist auch nichts wert.