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Abschlussbericht Odenwaldschule

 

Hier die aktuelle dpa-Meldung (17.12.10, 18 Uhr):

Steigende Missbrauchs-Zahlen an Odenwaldschule Von Joachim Baier, dpa

Gedemütigt und gequält: Ein Abschlussbericht beschreibt die
sexuellen Übergriffe an der renommierten Odenwaldschule. Der
Missbrauch von Schülern an dem Elite-Internat hatte demnach System.
Richtig wahrhaben wollte den Skandal viele Jahre lang niemand.

Heppenheim (dpa) – Die von einem Missbrauchsskandal erschütterte
Odenwaldschule muss mit weiter steigenden Opfer-Zahlen rechnen. Ein
vorläufiger Abschlussbericht zweier Juristinnen nennt inzwischen 132
Betroffene. Ende November war noch von 125 Opfern die Rede gewesen.
«Schwerstbetroffene melden sich zum Teil erst jetzt», sagte die
Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller am Freitag bei der Vorstellung des
35 Seiten langen Berichts im südhessischen Heppenheim.

Die meist lange zurückliegenden sexuellen Übergriffe hätten System
gehabt, viele Schüler seien mit Repressalien erst noch
«weichgeklopft» worden, hieß es. Schulleitungen hätten versagt,
Eltern nicht richtig reagiert und das Wohl der für ihre
Reformpädagogik bekannten Schule im Auge gehabt. Manche Opfer könnten
erst heute unter großen Mühen über ihr Leid berichten.

Der Skandal war Anfang März erneut an die Öffentlichkeit gekommen,
als die Schule ihre Feiern zum 100. Geburtstag vorbereitete. «Für uns
hat die Aufarbeitung erst begonnen», sagte Schulleiterin Margarita
Kaufmann.

Der Missbrauch liege zwar meist schon Jahrzehnte zurück. Das
Elite-Internat sei «ein Nest von Pädophilen gewesen, die sich die
Klinke in die Hand gegeben haben. Es gab eine Art Staffelübergabe»,
sagte Burgsmüller. Den früheren Schulleiter Gerold Becker, der von
1969 bis 1985 an dem Privatinternat arbeitete und inzwischen tot ist,
bezeichnete sie als «einen Weltmeister der Vernebelungsstrategie». Er
wird in dem Bericht mit rund 90 Opfern in Verbindung gebracht.

Tatzeitraum seien vor allem die Jahre 1965 bis 1985 gewesen, sagte
die frühere Präsidentin des Oberlandesgerichts Frankfurt, Brigitte
Tilmann. Von den Betroffenen seien 115 Jungen gewesen, meist im Alter
zwischen 11 und 14 Jahren, sowie auch 17 Mädchen. Die
Staatsanwaltschaft ermittelte gegen etwa ein Dutzend Lehrer, stellte
die Verfahren aber meist wegen Verjährung ein. Die Juristinnen
sprachen sich in diesem Zusammenhang für eine deutliche Verlängerung
der Verjährungsfrist aus. Sie liege heute in schweren Fällen bei zehn
Jahren. Gerechnet werde dabei ab dem 18. Geburtstag des Opfers.

In den vergangenen neun Monaten hatte die Reformschule heftige
Turbulenzen erlebt. Es gab Streit und Rücktritte im Vorstand, unter
anderem wegen der Frage, wie die Opfer entschädigt werden sollen. Nun
soll eine Stiftung gegründet werden. Die Odenwaldschule will dabei
auch mit der Betroffenen-Organisation «Glasbrechen» zusammenarbeiten.
«Es gibt aber keine Summe der Welt, die so etwas wieder gutmachen
kann», sagte Tilmann. Schulleiterin Kaufmann kündigte an, im Februar
nächsten Jahres konkrete Summen nennen zu können.

Die Odenwaldschule zählt zu den bekanntesten Einrichtungen der
Reformpädagogik in Deutschland. Auf der Liste ihrer ehemaligen
Schüler stehen bekannte Namen. Dazu zählen der Grünen-Politiker
Daniel Cohn-Bendit, die TV-Moderatorin Amelie Fried, der
Schriftsteller Klaus Mann und ein Sohn des früheren Bundespräsidenten
Richard von Weizsäcker.