Welt online blickt auf das Kulturjahr 2007 zurück, auch aufs Buch. In verlagstypischer Manier als TOP und FLOP. Und was da zu Tage kommt, ist irgendwie, nunja, bitte:
„TOP: Die Romantik ist zurück in der deutschen Literatur, nicht nur in Rüdiger Safranskis Kulturgeschichte – Der Buchpreis macht Bestseller: Julia Francks „Mittagsfrau“ versöhnt Erzählkunst und Verkaufserfolg – Kleeberg, Peltzer, Pehnt & Co.: Auch die Politik ist zurück in der deutschen Literatur.“
„FLOP: Die Listen des Deutschen Buchpreises spiegelten alles Mögliche, nur nicht den Stand der literarischen Dinge – Walser und Grass, die großen alten Medienorganisten, fühlen sich von den Medien verfolgt – Auch Nobelpreisträger haben eine Halbwertszeit: Heinrich Böll ist literarisch zu Recht vergessen.“
Die Romantik in der heutigen deutschen Literatur mögen mir die Verfasser dieser Liste bitte zeigen. Sucht noch irgendwer nach der Blauen Blume? Nehmen wir die Autoren auf der Liste des Deutschen Buchpreises. Diese ist zwar nicht grundsätzlich repräsentativ für den literarischen Stand der Dinge, zeigt aber durchaus einen netten Querschnitt dessen, was so geschrieben wird und eine Vielzahl an Lesern haben will: Familiengeschichten wie Julia Francks Mittagsfrau, Liebesgeschichten wie Katja Lange-Müller in Böse Schafe oder Alltagsgeschichten wie Annette Pehnt in Mobbing, Geschichten also, die jeder Leser erlebt hat oder sich vorstellen könnte. Die Sprache der Autoren ist zugänglich und frei von Zweifeln. Sie schreiben verständlich, was die Bücher keineswegs schlecht macht, aber eben auch nicht romantisch. Die Romantiker haben sich ja bisweilen selbst untereinander kaum verstanden. Die Unverständlichkeit war ein Merkmal dieser Strömung. Das kann man bei Rüdiger Safranski nachlesen. Sollte sich die Welt vielleicht zum kommenden Jahr vornehmen.
Und dass Nobelpreisträger eine Halbwertzeit haben, ach bitte. Liest jemand noch T.S. Eliot? Ist Paul Heyse noch relevant? Darüber könnte man auch reden. Aber man macht’s sich einfach: „Heinrich Böll ist literarisch zu recht vergessen.“ Auf Böll einzudreschen ist leicht, das haben schon zuvor viele gemacht. Und die konnten das obendrein eleganter: Robert Gernhardt, Eckhard Henscheid, sogar das Magazin Titanic. Warum soll Böll literarisch vergessen sein? Die Themen, die er beschrieb, die Erregungen, aus denen seine Romane entstanden, sind freilich abgeklungen oder nicht mehr so nachvollziehbar wie damals. Bloß wenn das ein Kriterium fürs Vergessenwerden ist, vergessen Sie jetzt bitte auf der Stelle folgende Bücher: vieles von Grass, so manches von Lenz und Arno Schmidt, ’ne Menge Thomas Mann, alles von Heine, alles von Büchner und lesen künftig nur noch Bücher von Autoren, die über Dinge schreiben, die Sie kennen oder erlebt haben. Also die Longlist des Deutschen Buchpreises rauf und runter. Viel Vergnügen damit.