Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Kulturgut auf dem Müll

 

Die Bibliotheksräume der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt wurden aufgeräumt und 80 Tonnen Papier zum Container getragen. Ordnungsliebe? Nein: Skandal! Denn es handelt sich um Bücher, zum Teil antiquarische Exemplare, größtenteils aus einer Klostersammlung einer Kapuzinerbibliothek.

Die Bibliotheksdirektorin ist jetzt dran: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen sie erhoben wegen Untreue in fünf Fällen. Es geht um die Beseitigung von 14 wahrscheinlich wertvollen Büchern. Doch nach wie vor sind die Umstände der Büchervernichtung nicht restlos geklärt. Zunächst war sie nur ein Gerücht, erst eine interne Untersuchung deckte sie auf.

So seien unersetzliche Einzelstücke aus dem Bestand der Universitätsbibliothek in deutschen Antiquariaten aufgetaucht und Tausende Bücher auf den Müll geworfen worden, hieß es Anfang 2007. Kritiker sprachen von „Vernichtung von Kulturgut“ und einer „zweiten Säkularisation“.

Gottfried Freiherr von der Heydte, der Kanzler der KU, interessierte das eine ganze Weile nicht. Erst als dem Ingolstädter Donaukurier, fünf Bände aus einem Altpapiercontainer zugespielt wurden, ging er den Vorwürfen nach.

Das Ergebnis der Untersuchung: Zwischen Juni 2005 und Oktober 2006 wurden insgesamt 80 Tonnen Bücher in 17 Containern entsorgt. Laut Auskunft der bayrischen Kapuziner-Ordensleitung sollen davon mehr als zwei Drittel aus ehemaligen Beständen des Ordens stammen.

Die bayrischen Kapuziner hatten der Unibibliothek 1999 rund 350.000 Bücher überlassen. Etwa ein Zehntel davon sollen Bände sein, die vor der Säkularisation im Jahr 1803 erschienen und dem Freistaat Bayern gehören. Der Stiftungsvorstand der KU untersagte der verantwortlichen Bibliotheksdirektorin im Februar vergangenen Jahres die weitere Aufarbeitung der Kapuzinerbestände.

Es gebe „gewisse Anhaltspunkte, dass Bücher weggeworfen wurden, die hätten aufbewahrt werden müssen“, sagte damals Konrad Regler, Vorstandsvorsitzender der Eichstätter Universitätsstiftung.

Die KU kündigte daraufhin eine umfangreiche Untersuchung durch die Bayerische Staatsbibliothek an. Wie viele wertvolle Bücher sind wirklich im Müll gelandet? Was davon war verschimmelter Schund, was wertvolles Kulturgut? Und was wusste die Bibliotheksdirektorin?

Auf all diese Fragen sollten Antworten gefunden werden, doch die Unileitung ist sie bis heute schuldig geblieben. „Wir werden erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn alles fertig ist“, sagte von der Heydte. Wann das sein wird, könne er noch nicht sagen.

Nach Angaben der Bayerischen Staatsbibliothek hingegen ist das Gutachten bereits fertig. In Absprache mit der Unileitung und dem Wissenschaftsministerium in München werde das Papier jedoch erst in einigen Wochen veröffentlicht. Grund sei das laufende Verfahren der bayrischen Justiz. Was die massenhafte Vernichtung von Beständen der Unibibliothek betrifft, hätten sich allerdings keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen die beschuldigte Bibliothekschefin ergeben, heißt es.
(Quelle: ORF)