Mehr Messe, mehr Mensch. Wie viele Werbetüten man tragen kann! Die Stände quellen über, besonders in der Glashalle wird gedrängelt, sobald jemand sich auf ein oranges, blaues oder schwarzes Sofa setzt und in Kameras redet. Die Eingangsdrehtür treibt verkleidete Jugendliche rein. Ist denn schon wieder Karneval? Katzenohren auf dem Kopf, schwarze Kimonos mit Schriftzeichen drauf und Badelatschen. Cos-Play nennt sich das, Costume-Play. Aha. Ein paar ältere Damen sächseln ein paar harsche Spaßbeiseites an den Garderoben, weil irgendeine Manga-Figur mit einem Plastikmesser rumfuchtelt. Später wird bestimmt in der Buchmessenpressemitteilung stehen: Mehr junge Leute kommen zur Messe. Ja, aber dann? Manchmal blockiert die Drehtür. Selbst der Alarmton klingt sächsisch.
Die Sonne brutzelt aufs Gewächshausdach, die Luft wird im Getümmel stetig mayonnaisiger. Wo ist es denn schön? Der junge Schriftsteller Sasa Stanisic sitzt bei arte auf der Couch und gibt wohl eines der unterhaltsamsten Interviews der Messe, und am ZEIT-Stand liest die Jugendbuchautorin Tamara Bach aus ihrem preisgekrönten Roman. Da bleibt man gern stehen.
Dann schon wieder Hektik: Ein Mann eilt im grauen Mantel zum Stand und macht ein Siegeszeichen zu einem, der genauso aussieht. Der sagt: „Du, richtige Bombe, Du.“ Und die Rowohlt-Party gestern, puh, oha, mannomann, „wasn Abend“. „Hattest du überhaupt ein Bändchen?“, fragt der andere. „Klar“ Dann reden sie über Ich-Erzählungen und autobiografisches Schreiben, und ein dritter nebenbei schwersttelefonierender Graumantel sagt: „Das ist so echt und so unverblümt“, davon wünsche er sich mehr. „Und kommste später auch zur Party junger Verlage?“ „Na logisch.“
Rotgesichtige Werbetütenträger lassen sich von Hostessen am Focus-Stand eine neue Gesundheits-Serie erklären und glauben, sie hätten geflirtet. Ein bisschen weiter sitzt Rainer Langhans bei Aspekte und redet über 68. Trägt einen Anzug, kein weißes Gewand. Uschi Obermaier lächelt dazu von Fotos. Verkleidete Mädchen haben die Hot-Dog-Bude entdeckt und röstzwiebeln den Boden voll. Wenn japanische Touristen vorbeilaufen, starren die Mädchen und zeigen mit dem Finger drauf. Ehrfürchtig, nicht böse. Was die Touristen wohl denken?
Erstaunlich ist, wie viele zu den Lesungen kommen. Auch bei den jungen, den kleinen Verlagen. Egal, ob drei schüchterne Damen Alltagslyrik lesen oder ein paar fahrig dahingeworfene Zeilen Experimentalprosa – die meisten Gäste bleiben bis zum Schluss, klatschen und nehmen Prospekte mit. Die abendlichen Lesungen in der Innenstadt sind überfüllt. Wenn der Preisträger Clemens Meyer vorliest, wird das auf Leinwänden übertragen. Und es wird gekauft, gekauft, gekauft, gekauft. Für drei Tage ist Literatur wieder ein Alltagsspaß. Warum geht das nicht ohne Messe?